Schritte zur Wiedervereinigung

Koreanische Halbinsel von A bis Z

Schritte zur Wiedervereinigung

Der innerkoreanische Musik-Austausch

2023-11-01

ⓒ YONHAP News
Das Lied “Schön, Dich zu sehen” spielte das nordkoreanische Samjiyon-Orchester 2018 während eines Besuchs in Südkorea. Anlass des Besuchs waren die Olympischen Winterspiele in Pyeongchang. Das Lied war schon vorher vielen Südkoreanern bekannt, da es mehrmals bei innerkoreanischen Veranstaltungen gespielt wurde. Doch der Austausch im Bereich Musik wie auch in anderen Bereichen ist angesichts zunehmender Spannungen auf der koreanischen Halbinsel wieder zum Erliegen gekommen. Was den Musik-Austausch betrifft, so spielte ein festes Repertoire an Liedern immer schon eine wichtige Rolle. Zum Thema sagt Ha Seung-hee vom Institut für Nordkorea-Studien an der Dongguk-Universität in Südkorea:

Ein Repertoire kann als Botschaft verstanden werden, die durch ein Konzert vermittelt werden soll. Ein altes koreanisches Stück mit dem Titel “Tränenreicher Fluss Tumen“ gehörte oftmals zum Repertoire bei früheren innerkoreanischen Konzerten. Die Liste enthielt „Schön, Dich zu sehen“ als Einleitung. Lieder wie „Paektu und Halla sind meine Heimat”, “Unsere Nation“, „Unser Wunsch ist die Wiedervereinigung“ oder „Lasst uns wiedersehen“ wurden in der Regel zum Schluss vorgetragen. Die Orchesterversion von “Arirang” war oft bei innerkoreanischen Konzerten mit Klassikmusik zu hören. Es kann langweilig sein, diese Lieder zu hören, weil sie immer wieder zu Gehör gebracht werden. Doch denke ich, dass viele Koreaner zu Tränen gerührt sind, wenn sie sie hören. Das ist die Macht der Musik.  

Wann begann beide Länder den Austausch im Musikbereich? Im Mai 1985 einigten sich beide auf Begegnungen zwischen getrennten Familien sowie auf künstlerische Vorführungen auf beiden Seiten der Grenze. Im September jenes Jahres fanden die emotionalen Familientreffen zum ersten Mal statt. Zeitgleich trat eine Künstlertruppe aus Pjöngjang im Koreanischen Nationaltheater in Seoul auf, und Künstler aus Südkorea waren im Großen Theater in der nordkoreanischen Hauptstadt zu sehen. Diese Aufführungen stellten den ersten innerkoreanischen Kulturaustausch seit der Landesteilung dar:

Damals überquerte eine Gruppe von jeweils 150 Menschen, darunter 50 Mitglieder von getrennten Familien, 50 Sänger, 30 Reporter sowie 20 Beamte, die Grenze, um an dem Begegnungsprogramm teilzunehmen. Das Repertoire der Sänger umfasste vor allem traditionelle koreanische Musik, die von beiden Koreas geteilt wird. Doch entgegen dem Zweck dieses Musik-Austauschs hätten die Aufführungen nur die Differenzen in der Musiktradition auf beiden Seiten aufgedeckt, sagten damals Experten. 

Ab Mitte der 1980er Jahre näherten sich Süd- und Nordkorea deutlich an. Die ersten Gespräche auf hochrangiger Ebene fanden 1990 statt. Im Oktober jenes Jahres beteiligte sich das Seouler Orchester für Traditionelle Musik am „Pan-nationalen Vereinigungskonzert“ in Nordkorea. Im Dezember trat eine nordkoreanische Künstlertruppe beim “Jahresend-Vereinigungskonzert für Traditionelle Musik“ im Seoul Arts Center sowie im Nationaltheater der südkoreanischen Hauptstadt auf, wo sie neue Gesangsstile vortrugen sowie veränderte Musikinstrumente zeigten. Nach dem gesamtkoreanischen Gipfeltreffen und einer abschließenden gemeinsamen Erklärung im Juni 2000 verstärkte sich die Zusammenarbeit, und speziell die Zahl der Programme in den sozialen und kulturellen Bereichen erhöhte sich. Nach dem Gipfel spielte das KBS-Symphonie-Orchester im August 2000 in Seoul gemeinsame Konzerte mit dem nordkoreanischen Staatsorchester. Zwei Jahre später besuchten die KBS-Musiker Pjöngjang für ein weiteres Konzert, um gemeinsam das koreanische Erntedankfest Chuseok zu feiern. Das koreanische Volkslied “Arirang”, das von beiden Orchestern vorgetragen wurde, berührte sichtlich das Publikum. Die Aufführung wurde als ein Symbol der Harmonie gesehen:

Die Hoffnungen auf eine innerkoreanische Aussöhnung waren nach dem historischen innerkoreanischen Gipfeltreffen von 2000 sehr groß. Um den Erwartungen gerecht zu werden, spielten zum ersten Mal Orchester aus Süd- und Nordkorea dieselbe Musik auf derselben Bühne. Diese symbolischen Aufführungen offenbarten neues Potenzial für die grenzüberschreitende Kooperation in der Musik. Auch wurden die Konzerte live in Süd- und Nordkorea übertragen. 

Später wurde der innerkoreanische Musikaustausch vor allem von südkoreanischen Rundfunkanstalten getragen. Viele Popsänger nahmen daran teil. Im Jahr 2002, als Südkorea und Japan zusammen die Fußball-Weltmeisterschaft austrugen, spielte zum Beispiel der Sender MBC ein Sonderkonzert in Pjöngjang. Es trat eine Reihe von südkoreanischen Sängern und Sängerinnen, wie etwa Lee Mi-ja und Choi Jin-hee, der Rocksänger Yoon Do-hyun, der Tenor Lim Woong-gyun sowie nordkoreanische Interpreten auf, die mit dem Ehrentitel „Volkskünstler“ oder „verdienstvoller Künstler“ ausgezeichnet wurden. Später waren weitere südkoreanische Interpreten wie Cho Young-nam sowie Lee Sun-hee und selbst Girl- und Boygroups wie Baby Vox und Shinhwa in Nordkorea. Sie erweiterten damit das Feld der Genres und der Generationen bei den Konzerten. Die südkoreanische Pop-Ikone Cho Yong-pil, der in seiner Heimat auch “King of Pop” genannt wird, gab 2005 in Pjöngjang ein Solokonzert vor 7000 Zuschauern. In der nordkoreanischen Hauptstadt fand 2003 anlässlich des 58. Jahrestags der Befreiung von japanischer Kolonialherrschaft der „Pjöngjanger Gesangswettbewerb“ im Moranbong-Park statt. Die Veranstaltung ging auf den “Nationalen Gesangswettbewerb” von KBS zurück, an dem Bürger aus dem ganzen Land ihre Talente unter Beweis stellen konnten. Die Show wurde gemeinsam vom bekannten südkoreanischen Entertainer Song Hae und einer nordkoreanischen Fernsehansagerin moderiert. Die Sendung wurde in beiden Ländern übertragen:

Für die Gesangsveranstaltung in Pjöngjang arbeiteten Süd- und Nordkorea in allen Teilen zusammen, von der Planung bis zur Produktion. Es war das erste Mal seit der Landesteilung, dass eine südkoreanische Musiktalente-Show in Nordkorea abgehalten wurde. Die Veranstaltung umfasste viele nordkoreanische Lieder, Volkslieder, Kinderlieder und Popmusik eingeschlossen. Es bot sich die Gelegenheit, ein potenzielles Repertoire für beide Seiten zu entwickeln. Auch war es bemerkenswert, dass normale Bürger in Nordkorea an dem Wettbewerb teilnehmen konnten. 

Die Beziehungen zwischen Süd- und Nordkorea und damit auch der Musikaustausch kamen nach 2005 wieder zum Erliegen. Einen richtigen Durchbruch gab es erst wieder 2018, als das nordkoreanische Samjiyon-Orchester anlässlich der Olympischen Winterspiele in Pyeongchang Südkorea besuchte. Es trat bei Konzerten im Gangneung Arts Center in der östlichen Provinz Gangwon sowie im Nationaltheater von Seoul auf.  Für die Konzerte schien das Orchester erstklassige Musiker eingeladen zu haben. Sie spielten ein breitgefächertes Repertoire, von südkoreanischen Liedern bis zu Orchestermusik. Der Hit „Für J“ der südkoreanischen Sängerin Lee Sun-hee wurde für die Orchesterbegleitung umgeschrieben: 

Früher hielten Süd- und Nordkorea Musikaufführungen ab, um gemeinsame Veranstaltungen abzurunden. Doch das Samjiyon-Orchester gab Konzerte in Südkorea vor dem Hintergrund der Olympischen Winterspiele in Pyeongchang, die keine innerkoreanische Veranstaltung, sondern ein globales Sportfestival waren und den Frieden fördern sollten. Es schien, als ob Nordkorea gehofft hatte, die internationale Veranstaltung nutzen zu können, um seine Beziehungen zur Außenwelt, Südkorea eingeschlossen, zu reparieren. Es ist einfach, sich vorzustellen, dass das Konzert mit dem Thema „Wir sind eins“ darauf fokussiert war, die Identität beider Koreas als eine Volksgemeinschaft wiederherzustellen. Das Konzert ging über die Reichweite des innerkoreanischen Kulturaustauschs hinaus und erweiterte sich zu einer Show, die am Rande einer globalen Veranstaltung aufgeführt wurde. 

Am Ende des Konzerts äußerten die nordkoreanischen Sänger bei starkem Applaus ihren Wunsch, die südkoreanischen Interpreten wiedersehen zu können. Der Wunsch wurde erfüllt, als sich beide Länder auf die Aufführung einer südkoreanischen Künstlergruppe in Nordkorea einigten. Im April 2018 trat die Gruppe unter dem Oberthema „Der Frühling kommt“ zweimal in Pjöngjang auf. Das Konzert begann mit einem Hologramm-Video und einer Tanzvorführung. Die Sängerinnen Jungin und Ali sangen zusammen mit nordkoreanischen Interpreten das alte koreanische Lied „Das Gesicht“:

Anders als früher benutzten die Aufführungen den Symbolismus, der in den Titeln und im Text der Lieder zum Ausdruck kam. Sie wählten Stücke aus, die gut zum Thema der friedlichen Wiedervereinigung passten. Einige südkoreanische Sänger, die schon früher in Nordkorea waren, erinnerten sich an ihre vorigen Auftritte in dem Land. Im Gegenzug sangen sie einige südkoreanische Lieder, die während der Konzerte in Südkorea vom nordkoreanischen Samjiyon-Orchester gespielt wurden. Durch diese Aufführungen zeigten beide Seiten ihre Bemühungen, die innerkoreanischen Beziehungen neu zu interpretieren. Ich denke, dass das bedeutungsvoll ist. 

Als Sänger beider Seiten die Stücke “Unser Wunsch ist die Wiedervereinigung“ und „Lasst uns wiedersehen“ vortrugen, stimmten die Zuhörer ein. Nach dem Konzert “Der Frühling kommt” wollte eine Künstlergruppe aus Pjöngjang in Seoul unter dem Oberthema „Der Herbst ist gekommen“ auftreten. Die gemeinsame Gipfelerklärung von Pjöngjang vom September 2018 sah dieses Konzert für den Oktober vor. Seitdem sind wieder einige Jahre vergangen. Doch das Konzert fand niemals statt. 

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