Schritte zur Wiedervereinigung

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Nordkoreas Maßnahmen gegen den Geburtenrückgang

2023-07-05

ⓒ KBS News
In Nordkorea sinkt aufgrund eines Geburtenrückgangs die Zahl der schulpflichtigen Kinder. Der US-Sender Radio Free Asia berichtete im April unter Berufung auf Informationsquellen, dass noch vor zehn Jahren eine Grundschule in Nordkorea die Schulanfänger in vier bis fünf Klassen eingeteilt habe. In diesem Jahr seien es nur noch drei Klassen gewesen, weil die Zahl der Schüler zurückgehe. Im Weltalmanach des US-Geheimdienstes CIA heißt es, die zusammengefasste Geburtenziffer in Nordkorea liege bei 1,89 je Frau. Damit stehe das Land welweit auf dem 126. Platz. Die Ziffer gibt an, wie viele Kinder eine Frau im Durchschnitt in ihrem Leben bekommen würde. Der Wert für Nordkorea ist dabei noch immer höher als in Südkorea, das am Ende der Tabelle steht. Doch ähnlich wie der Süden muss sich Nordkorea auf soziale Probleme aufgrund der sinkenden Geburtenrate einstellen. Die zentrale nordkoreanische Fernsehstation berichtete 2021, dass die Bürgerin Park Un-jong aus Pjöngjang ihr zehntes Kind bekommen habe. Die Frau sei mit dem Titel „mütterliche Heldin“ ausgezeichnet worden: 

Alles, was ich tat, war, meine Kinder aufzuziehen. Ich habe nur richtig gehandelt als Frau, Bürgerin und Familienmitglied eines Soldaten dieses Landes. 

Familien mit mehreren Kindern genießen in Nordkorea Vorteile. Der Zweck ist, die Geburtenrate zu erhöhen. Familien mit mehreren Kindern erhalten an bestimmten Jahrestagen Schulausrüstung, während Eltern mit Drillingen zudem Lebensmittel und Arzneien umsonst erhalten. Auch werden sie bei der Wohnungssuche bevorzugt behandelt. Der Ehemann der “mütterlichen Heldin” sagt, es gebe aufgrund der Vorteile keine Probleme bei der Kindererziehung: 

Die ganze Welt beklagt sich stark über Covid-19. Doch ich war niemals beunruhigt, wie ich meine Kinder ernähre und aufziehe. 

Zum Thema sagt die Leiterin der Abteilung für Öffentlichkeitsarbeit bei der Korea Hana Foundation in Südkorea, Kim Young-hee:

Nordkoreanerinnen zögern seit Ende der 1980er Jahre, Kinder zu bekommen, was einen schrittweisen Rückgang der Geburtenrate zur Folge hatte. Auch erlebte Nordkorea in den 90er Jahren die harte Zeit des mühsamen Marschs, als das staatliche Rationierungssystem zusammenbrach. Die Einheimischen sagen üblicherweise, dass es nötig ist, die Zahl der Münder zu reduziern, die gefüttert werden müssen. Das heißt, sie entscheiden, selbst auch dann keine Kinder zu haben, wenn sie heiraten. Das ist vermutlich der Grund, warum Nordkorea den Titel der „mütterlichen Heldin“ einführte. 

Bis in die 1960er Jahre verfolgte Nordkorea eine Politik, um die Geburtenrate zu fördern, da die Bevölkerung als Folge des Korea-Kriegs geschrumpft war. Die Gesamtfertilitätsrate lag damals bei 5,11: 

Meine Eltern hatten sechs Kinder, drei Söhne und drei Töchter. Ich wurde in den 60er Jahren geboren, und das jüngste Kind wurde 1972 geboren. Damals war Nordkorea besser dran als Südkorea. Der Staat ermutigte die Menschen, mehr Kinder zu kriegen, weil er Arbeiter und Soldaten benötigte. 

Mit Beginn der 70er Jahre empfahl Nordkorea gemäß seiner Politik zur Geburtenkontrolle den Menschen, spät zu heiraten. Auch wollte das Land weibliche Arbeitskräfte besser nutzen. Das Land erlaubte Abtreibungen und lehrte die Menschen, wie man eine Schwangerschaft verhütet. In den 80er Jahren führte Nordkorea sogar den Slogan ein: „Eines ist gut, zwei sind viele, drei bedeutet gewissenlos, vier sind dumm.“

Der Zusammenbruch des Rationierungssystems sorgte für einen Bevölkerungsrückgang. Früher verteilte der Staat unabhängig von der Zahl der Familienmitglieder Nahrungsmittel und andere Dinge an die Bürger. Weil aber später das Verteilungssystem nicht mehr funktionierte, mussten die Menschen irgendwie Geld verdienen. Diejenigen, die nicht genug Geld hatten, beschlossen, keine Kinder zu haben. Auch hatten die Nordkoreaner keinen Zugang mehr zu freier medizinischer Fürsorge und Erziehung. Ich brachte in den 90er Jahren ein Kind zur Welt, also in einer schwierigen Zeit, als viele Nordkoreanerinnen vermieden, Kinder zu bekommen. Das war verständlich, da es für sie schwierig war, mehrere Kinder zu ernähren, wenn sie auf dem Markt Geld verdienen mussten. Einige wollten nicht heiraten. 

Nordkorea organisierte 1998 ein nationales Muttertreffen und rief die Frauen auf, mehr Kinder zu gebären. Doch der Rückgang der Geburten wurde damit nicht gestoppt. Anfang der 2000er Jahre wurde klar, dass die sinkende Bevölkerung ein ernstes soziales Problem darstellt. In einem Brief an die Sozialistische Frauenunion Koreas rief der jetzige Machthaber Kim Jong-un zur besseren Unterstützung der Frauen auf. Mehrere Söhne und Töchter zu haben, sei eine Frage des nationalen Interesses, die mit der Zukunft des Landes zusammenhänge. Der Propaganda-Radiodienst “Echo der Wiedervereinigung” berichtete 2021, dass Nordkoreanerinen dazu berechtigt seien, 240 Tage Mutterschaftsurlaub zu nehmen. Weibliche Arbeitskräfte würden während dieser Zeit vor- und nachgeburtliche Zuschüsse erhalten, die 100 Prozent ihrer grundlegenden Lebenshaltungskosten entsprächen. Wenn sich der Bericht als richtig erweist, hat der Mutterschaftsurlaub in Nordkorea ein bedeutsames Niveau erreicht: 

Schwangere Arbeiterinnen erhalten Mutterschaftsurlaub und Zuschüsse. Doch die Zuschüsse von 3000 Won sind bedeutungslos, weil ein Kilogramm Reis auf dem Markt etwa 5000 Won kostet. Das heißt, sie können noch nicht einmal ein Kilogramm Reis damit kaufen. 

Das Gesetz zum Schutz der Frauenrechte in Nordkorea sieht vor, dass eine Frau, die Drillinge oder sonst mehr Babys zur Welt bringt sowie die Kinder selbst Anspruch auf einen behandelnden Arzt haben und spezielle Vorteile genießen wie etwa angemessene Wohnungen, umsonst Medikamente, Nahrungsmittel und Haushaltsgeräte. Für Nordkorea haben Drillinge eine besondere Bedeutung. Anfang dieses Jahres berichtete die zentrale Fernsehstation, dass die 536. Drillinge im Land geboren seien. Im vergangenen Jahr ging es in einem Bericht um die 415. Drillinge, die 2012 geboren und jetzt zehn Jahre alt seien. Die Drillinge hätten nach der Geburt 100 Tage im Pjöngjanger Mutterschafts-Krankenhaus gelegen und vier Jahre lang im Baby-Haus von Pjöngjang gelebt, hieß es. Ihre Mutter bedankte sich vor allem beim Machthaber: 

Meine Drillinge trafen Machthaber Kim Jong-un im Pjöngjanger Baby-Haus zu zwei verschiedenen Gelegenheiten. Wie gesegnet und glücklich sie sind!

Nordkorea sieht die Geburt von Drillingen als ein gutes Zeichen. Das Land sagt, für eine Frau, die mit mehr als einem Kind schwanger sei, werde ein Hubschrauber eingesetzt, um sie zum Pjöngjanger Muttterschafts-Krankenhaus zu bringen: 

Ich kam nach Pjöngjang mit dem Flugzeug, um Vierlinge zu gebären. Ich werde nie die freundlichen Ärztinnen und Krankenschwestern vergessen, die sich gut um mich kümmerten, als ob sie meine eigenen Schwestern wären. 

Anfang dieses Jahres berichtete die offizielle Zeitung Rodong Sinmun, Familien mit mehreren Kindern stünden an der Spitze der Liste der Wohnungszuteilungen: 

Prinzipiell vergibt Nordkorea Wohnungen an verheiratete Paare. Doch nicht jeder Bürger erhält eine Wohnung, da der Staat nicht genug Wohnungen bauen kann. Nach dem nordkoreanischen Wohngesetz müssen Wohnungen bevorzugt an revoutionäre Kämpfer, Familien von revolutionären und patriotischen Märtyrern, an die Familien derjenigen, die im Krieg gefallen sind, an Kriegsveteranen, entlassene Offiziere, Lehrer, Wissenschaftler, technische Experten und sonstige Personen mit großen Verdiensten vergeben werden. Frauen, die drei oder mehr Kinder haben, wurden der Liste hinzugefügt, was zeigt, wie ernsthaft das Problem der niedrigen Geburtenrate ist. 

Nach Angaben des südkoreanischen Vereinigungsministeriums sind Nordkoreanerinnen, die zwei oder mehr Kinder haben, auch zur Mitgliedschaft in der Arbeiterpartei berechtigt. Eltern mit Kindern unter fünf Jahren erhielten im Juli 2020 demnach 7500 nordkoreanische Won pro Kind. Nordkoreanische Flüchtlinge sagen, dass die Regierung drastische Maßnahmen wie diese ergreifen müsse, weil sonst die Zahl der Soldaten des Landes einbreche. So sagt ein Flüchtling:

Nordkorea zieht nicht nur Menschen im Alter von 17 bis 18 Jahre ein, sondern auch solche, die schon 35 oder 45 Jahre alt sind und Familie haben. Als ich den Militärdienst antrat, mussten Wehrpflichtige mindestens 148 Zentimeter groß sein. Personen, die kleiner waren, konnten nicht ins Militär gehen. Doch wurde das auf 143 Zentimeter geändert, da sich die Zahl der Soldaten verringert. Wenn ein 1,43 Meter großer Soldat ein automatisches Gewehr trägt, schleift es über den Boden. 

Die rückgängige Bevölkerungszahl wirkt sich nicht nur auf die Streitkräfte des Landes aus. Es betrifft auch das Angebot von Arbeitskräften. Experten sagen, dass der Arbeitskräftemangel in Nordkorea eine ernste Auswirkung auf das Wirtschaftswachstum haben werde, weil das Land im Vergleich einen Vorteil in den arbeitsintensiven Industriezweigen habe: 

Nordkoreas Industrie ist vor allem arbeitsintensiv. Nordkorea modernisierte Fabriken, in denen Güter maschinell produziert werden. Doch die Zahl dieser Produktionsanlagen ist extrem niedrig. Das Land benötigt nach wie vor eine große Zahl von Arbeitskräften. Ein Arbeitermangel als Resultat der sinkenden Geburtenrate strapaziert die Industrie und ganz allgemein die Wirtschaft des Landes. Obwohl Nordkorea die Menschen dazu anspornt, mehr Kinder zu haben, denke ich, dass sich die Politik als ineffektiv erweist. Der Trend der sinkenden Geburtenrate wird sich fortsetzen, weil es für viele Nordkoreaner noch immer schwierig ist, über die Runden zu kommen. Sie werden eine geringe Zahl von Kindern bevorzugen und sie gut aufziehen wollen, anstatt viele Kinder zu haben.  

Das sozialistische Land ergreift verschiedene bevölkerungspolitische Maßnahmen, um das Problem der sinkenden Geburtenrate zu lösen. Um den Trend zu stoppen, müsste das Land vermutlich aber das Problem auf umfassendere Weise angehen.

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