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Lifestyle

Menschen mit Behinderungen in Korea 2

#Sie fragen, wir antworten l 2016-04-30

Hörerecke

Q:Wie sieht die Lage von Menschen mit Behinderungen in Korea aus? Wie sind die gesetzlichen Regelungen? Wo besteht gesetzlich und sozial Verbesserungsbedarf?

A:Eine Antwort darauf gibt unter anderem ein Bericht, der am 1. Juli 2015 im South Korean Human Rights Monitor erschien. Das ist ein Menschenrechtsportal, das von der Koreanischen Menschenrechtsstiftung unterstützt wird. Dort heißt es u.a., dass in Südkorea die Wahrscheinlichkeit, dass ein Haushalt mit einem Menschen mit Behinderung unterhalb der Armutsgrenze liegt, 2,4 Mal höher ist als bei einem vergleichbaren Haushalt ohne Mitglied mit Behinderung. Das soll einer der höchsten Werte unter den OECD-Mitgliedsländern sein. Das Durchschnittseinkommen eines Haushalts mit einem Behinderten ist 50% niedriger als der Landesdurchschnitt, d.h. die Wahrscheinlichkeit, dass ein Haushalt mit einem Behinderten unter der Armutsgrenze liegt, ist relativ hoch. Die Armutsgrenze liegt in Korea derzeit bei einem Einkommen von 1,6 Mio. Won (rd. 1.240 Euro) für einen vierköpfigen Haushalt. Ein Grund für diesen niedrigen Wert ist die Tatsache, dass die Beschäftigungsrate von körperlich und geistig behinderten Menschen mit 35,5% deutlich niedriger als der nationale Durchschnitt von 60,4% ist. Und das, obwohl die südkoreanische Regierung in den letzten Jahrzehnten deutliche gesetzliche Regulierungen eingeführt hat, so z.B. die Auflagen für die Anstellung von Menschen mit Behinderungen und Einrichtung von Schulungs- und Ausbildungszentren, um Menschen mit Behinderungen in Arbeit zu vermitteln.

1990 hat die koreanische Regierung ein Gesetz zur Beförderung der Anstellung und beruflichen Rehabilitierung von Menschen mit Behinderungen erlassen. Danach sind öffentliche und private Unternehmen mit mehr als 50 Mitarbeitern dazu verpflichtet, Menschen mit Behinderungen einzustellen. Laut Gesetz muss der Anteil an behinderten Beschäftigten an der Belegschaft bei öffentlichen Einrichtungen bei 3% und bei privaten Unternehmen bei 2,7% liegen. Wird diese Auflage nicht erfüllt, fallen Strafen proportional zur Nichterfüllung an. So ist z.B. die Strafe bei einem Unternehmen, das die Auflage zu mehr als 50% unterschreitet, 957.000 Won pro nicht eingestellter Person, umgerechnet 740 Euro. Unterhalb der 50%-Grenze fallen 456 Euro an. Diese Strafsummen können sich bei großen Firmen leicht zusammenläppeln. Trotz der Strafen kommen viele Unternehmen der gesetzlichen Auflage nicht nach. Nach dem Stand von 2014 hielten ganze 48,5% aller öffentlichen Einrichtungen die 3%-Klausel nicht ein. Die durchschnittliche Anstellungsquote von Menschen mit Behinderungen liegt bei 2,65% für öffentliche Einrichtungen und bei 2,48% bei privaten Firmen. Besonders zu bemängeln ist in diesem Kontext, dass öffentliche Einrichtungen wie die koreanische Nationalversammlung und das Amt für Bildung, das u.a. auch für die Lehrereinstellung zuständig ist, mit 1,47 bzw. 1,56% besonders schlecht abschneiden, wenn es um die Erfüllung der Quoten geht. Diese Einrichtungen sollten jedoch mit leuchtendem Vorbild vorangehen, um einen echten Bewusstseinswandel in der Bevölkerung zu bewirken. Die Bußgelder, die wohl aus dem Steuertopf kommen, sollen sich auf Millionen Euro Höhe pro Jahr belaufen. Hier besteht mit Sicherheit Verbesserungsbedarf.

Wie sicherlich aus der aktuellen Berichterstattung von KBS WR bekannt, ist derzeit die Arbeits- und Perspektivlosigkeit junger, gut ausgebildeter Menschen in Korea ein gravierendes Problem. Stichwort: prekäre Beschäftigung und Hell Joseon, also Hölle Joseon. Mit diesem Begriff bezieht man sich auf die derzeitige gesellschaftliche Situation in Korea, vor allem auf die Beschäftigungslage. Man benutzt dabei bewusst „Joseon“, also das alte Wort für Korea bzw. das Königreich Joseon, statt die moderne Bezeichnung „Republik Korea“, weil im alten Joseon-Königreich Macht und Vermögen in der Hand einer kleinen gesellschaftlichen Elite lag und heutzutage die Einkommensschere in Korea wieder stark am Auseinanderklaffen ist. Das macht die Situation von Menschen mit Behinderungen in Korea natürlich nur noch schwieriger. Aber das sollte kein Vorwand sein, sich durch Zahlen von Bußgeldern aus der gesellschaften und sozialen Verantwortung zu stehlen. Insgesamt lässt sich aber positiv vermerken, dass sich das Leben von Menschen mit Behinderungen in Korea in den letzten zwei, drei Jahrzehnten verbessert hat und sie stärker aus dem gesellschaftlichen Schatten herausgetreten sind.

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