Mit Cheongmyeong청명 wird in Korea der im Frühling „aufklarende Himmel“ sowie der Beginn des fünften der insgesamt 24 Jahresabschnitte bezeichnet. Cheongmyeong fällt meist auf den 4. oder 5. April nach dem Sonnenkalender. Ein weiteres wichtiges Datum im Frühling ist Hansik한식, das neben dem Neujahrstag Seollal, dem Feiertag Dano im Frühsommer und dem Erntedankfest Chuseok im Herbst als einer der vier großen Feiertage galt. An Hansik suchten die Koreaner die Gräber ihrer Vorfahren auf und hielten dort Ahnenrituale ab. Und an diesem Tag war es auch Brauch, kalte Speisen zu essen, weshalb sich der Begriff Hansik aus den Schriftzeichen „han“ für „kalt“ und „sik“ für Essen“ zusammensetzt.
Hansik liegt 105 Tage nach der Wintersonnenwende Dongji und fällt auch meist auf den 4. oder 5. April. In diesem Jahr ist am Donnerstag Cheongymeong und am darauffolgenden Tag Hansik. Diese zeitliche Nähe wird besonders in einem alten koreanischen Sprichwort deutlich, das folgendermaßen lautet: „Es macht keinen Unterschied, ob ich an Cheongmyeong oder Hansik sterbe.“ Dass der Tod in diesem Zusammenhang erwähnt wird, mag etwas seltsam anmuten, schließlich ist zu dieser Jahreszeit der Frühlings bereits in voller Blüte und die Natur steht auf dem Höhepunkt ihrer Vitalität und Schönheit. Doch vermutlich rührt die Assoziation mit dem Tod daher, dass an Hansik die Koreaner die Gräber ihrer Vorfahren aufsuchten und zum Gedenken der Toten Ahnenrituale abhielten. Hören Sie nun das Bongjiga봉지가, ein Volkslied aus Jeju, gesungen von Kim Yong-woo.
Als “Bongji” werden im Jeju-Dialekt Blumenknospen bezeichnet. Das Lied, das Sie eben hörten, begann mit folgenden Zeilen:
Kuckucke singen, wenn die Azaleen blühen.
Die Frühlingskräuter pflückenden Mädchen pflücken den neuen Frühling.
Doch die Originalversion aus Jeju lautete ursprünglich so:
Bongji fallen, Bongji fallen.
Bongji fallen von einem Frühlingsbaum.
Fallen die Blüten von den Bäumen, beginnen die Bäume Früchte zu tragen. Mit dem Bongjiga wird der Wechsel der Jahreszeiten begrüßt und man blickt in freudiger Erwartung auf den Herbst und seine reiche Ernte.
Morgen ist Hansik und auch der koreanische Baumpflanztag. Siebzig Prozent von Korea sind gebirgig. In der Vergangenheit hatten die Koreaner die Berge jedoch zu großen Teilen abgeholzt, da sie beim Bauen und Heizen stark auf das Holz angewiesen waren, weshalb die japanischen Besatzer 1910 den Baumpflanztag einführten. Ironischerweise sank während der japanischen Besatzungszeit die Waldflläche in Korea auf ein Fünftel ihrer vorherigen Größe, denn die Japaner betrieben Kahlschlag und holzten große Waldgebiete ab. Der restliche Waldbestand, der nach der Plünderung durch die Japaner übrig geblieben war, wurde im Koreakrieg geschädigt. Denn Kriegsflüchtlinge fällten Bäume, um mit dem Holz zu kochen und zu heizen, während die Soldaten die Wälder zur Ausführung ihrer militärischen Operationen rodeten. Nach dem Krieg bemühte sich die koreanische Regierung mit zahlreichen Maßnahmen, den zerstörten Wäldern wieder neues Leben einzuhauchen. Und durch gemeinsame Anstrengung und harte Arbeit sind heute in Korea die Berge wieder mit dichten, grünen Wäldern bewachsen. Am weitesten verbreitet in den koreanischen Bergwäldern ist die Kiefer, weshalb ihr das nächste Musikstück gewidmet ist. Der Liedtitel lautet „Träumen von einem grünen Kiefernwald“, komponiert von Yoo Mi-young und gespielt von Jang Eun-sun am Geomungo.
In der zweiten Strophe der koreanischen Nationalhymne taucht eine Kiefer im Liedtext auf:
Wie die Kiefer hoch auf dem Namsan-Berg gut gewappnet zu sein scheint,
so hält auch unser Geist gegen Wind und Kälte stand.
Wie in der koreanischen Nationalhymne beschrieben wachsen auf dem Berg Namsan, mitten in Seoul, viele Kieferbäume. Bedauerlicherweise schrumpft ihre Zahl aufgrund von Umweltverschmutzung. Das eben gehörte Musikstück mit dem Titel „Träumen von einem grünen Kiefernwald“ repräsentiert den Wunsch der Koreaner, dass die Berge stets mit Bäumen bewachsen und für immer grün bleiben.
Die Festlegung des koreanischen Baumpflanztags auf den 5. April ist auf eine königliche Zeremonie der Joseon-Zeit zurückzuführen. Damals demonstrierte der König auf einem kleinen Reisfeld ein Stück Feldarbeit, wenn der Frühling kam. Damit sollte die Bedeutung der Feldarbeit unterstrichen und die Bauern motiviert werden. Quellen zufolge soll diese königliche Vorführung der Feldarbeit meist am 5. April stattgefunden haben. Vergessen wir zudem nicht, dass die Koreaner in der Vergangenheit, als sie sich für die Landarbeit bereit machten, ihrer Ahnen gedachten – eine der wichtigsten Pflichten im alten Korea. Wir schließen deshalb mit einem Lied, in dem beschrieben wird, wie eine Frau ihres verstorbenen Ehemannes gedenkt, indem sie sorgfältig das Opfermahl vorbereitet und das Ahnenritual durchführt. Das Stück lautet Jejeon und wird von Jihwaja vorgetragen.
Musik1. „Bongjiga“, gesungen von Kim Yong-woo 봉지가 / 김용우 노래
2. „Träumen von einem grünen Kiefernwald“, komponiert von Yoo Mi-young und gespielt am Geoumgo von Jang Eun-sun 푸른 솔숲을 꿈꾸다 / 유미영 작곡, 장은선 거문고
3. „Jejeon“, gesungen von Jihwaja 제전 / 지화자