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Kultur

150 Jahre koreanische Diaspora in Russland

2014-10-28

Weit verstreut über Zentralasien, Russland und seine am Meer gelegenen Provinzen leben ethnische Koreaner, die dieses Jahr den einhundertfünfzigsten Jahrestag der koreanischen Migration nach Russland und Zentralasien feiern. Zu diesem Anlass ist eine ganze Reihe von Veranstaltungen geplant.

Diese Nachfahren koreanischer Einwanderer nach Zentralasien und Russland singen gern koreanische Lieder. Sie sind am 12. Oktober in Ansan in der Gyeonggi-Provinz angekommen. Ihr Koreanisch ist holprig, da sie seit Generationen außerhalb von Korea leben, doch die Ankunft in Korea löste bei ihnen Begeisterung aus. Hier ist Yugai Tamara, eine ethnische Koreanerin, die an der Zeremonie teilgenommen hat.

Wir sind von weit her gekommen, um unsere alte Heimat zu sehen. Ich bin so glücklich, endlich hier zu sein! Ich bin dankbar, dass uns die Koreaner so herzlich empfangen haben. „Arirang“ und „Frühling in meiner Heimat“ sind doch die schönsten koreanischen Lieder. Ich bin keine Usbekin, ich bin eine Koreanerin!

Sie haben zwar keine eigenen Erinnerungen an Korea, aber das Bewusstsein über ihre koreanischen Wurzeln und ihre Selbstidentität als Koreaner haben sie von ihren Eltern erhalten. Wenn das Heimweh sie überkommt, singen sie das Lied „Frühling in meiner Heimat“, und „Arirang“ ist das Lied der Koreaner.

Die meisten koreanischen Einwanderer in Russland kamen aus der Provinz Hamgyeong in der Nähe der Grenze zwischen Nordkorea und China. Die Leute aus dieser Region litten wegen des unfruchtbaren Bodens oft unter Hunger, und seit den 1860er Jahren haben Bewohner aus Hamgyeong immer wieder den Tumen-Fluss überquert, um in Russland für eine Saison Getreide anzubauen. Sie gingen im Frühling nach Russland und kamen nach der Ernte im Herbst nach Korea zurück. Doch zu der damaligen Zeit war die Überquerung der Grenzen lebensgefährlich und wurde mit dem Tode bestraft. Im Jahr 1863 beantragten sechzig Bewohner aus vierzehn Haushalten der Provinz Hamgyeong einen permanenten Aufenthalt in Russland, nachdem sie in der Nähe des Tizinkhe-Flusses Getreide angebaut hatten, und die russische Regierung akzeptierte ihr Gesuch im darauf folgenden Jahr. Das war der Beginn der koreanischen Migration nach Russland, der sich dieses Jahr zum einhundertfünfzigsten Mal jährt.

Wie der Direktor des Museums für die Geschichte der koreanischen Migration, Herr Kim Sang-nyeol, uns soeben erklärte, ließen sich einige Koreaner im Jahr 1864 nach Misserfolgen im Anbau und folgendem Nahrungsmangel in den am Meer gelegenen Gegenden Russlands nieder. Fünf Jahre später trieb eine bittere Hungersnot im nördlichen Teil der koreanischen Halbinsel knapp zehntausend Koreaner dazu, sich ein neues Leben jenseits der Grenze zu suchen. Während der japanischen Besetzung in den frühen 1920ern bestand mehr als ein Viertel der ländlichen Bevölkerung von Wladiwostok, bis zu 170.000 Menschen, aus ethnischen Koreanern. Doch 1937 erzwang die sowjetische Regierung die Umsiedlung der Koreaner nach Zentralasien, weil man befürchtete, dass die Koreaner für die Japaner spionieren würden. Hier ist noch einmal Direktor Kim Sang-nyeol vom Museum für koreanische Migrationsgeschichte.



Die erzwungene Umsiedlung der Koreaner im Jahr 1937 wurde außerordentlich brutal durchgeführt. Auf zwei Befehlen hin wurden mehr als 170.000 Koreaner auf den 6.000 Kilometer langen Weg geschickt. Rund zweitausend koreanische Gemeindevorsteher wurden vor der Umsiedlung eliminiert und viele der Alten und Kinder starben während der langen Bahnreise. Viele sind auch psychisch zusammengebrochen. Das Ziel der ersten koreanischen Ansiedlung in Zentralasien war Üschtöbe im heutigen Kasachstan. Zum Entsetzen der Koreaner entpuppte es sich bei der Ankunft als Einöde. Die Koreaner wurden Ende Oktober auf dem unfruchtbaren Land praktisch sich selbst überlassen.

In Üschtöbe war es Ende Oktober bereits sehr kalt, für die mittellosen Koreaner waren das lebensfeindliche Bedingungen. Die Versprechungen von Wohnungen und Arbeitsplätzen, die ihnen vor der Reise gegeben wurden, sind nie eingehalten worden, und die Koreaner mussten sich in ihrer desolaten Lage selbst weiterhelfen. Sie schafften es gerade, den ersten Winter in Kasachstan zu überleben, doch selbst in diesem Elend gaben sie den Mut nicht auf.

Um zu überleben, gruben sie Höhlen als Unterkünfte und versuchten, auf dem Brachland Getreide anzubauen. Mit ihrem leidenschaftlichen Lerneifer, der so typisch für Koreaner ist, schafften sie es, sich in der unwirtlichen Umgebung zu behaupten. Trotz miserabler Ausgangsbedingungen bewahrten diese Leute ihre koreanischen Bräuche und Essgewohnheiten, was ihnen in ganz Zentralasien viel Respekt eingebracht hat. Unter den mehr als 106 verschiedenen ethnischen Minderheiten in Kasachstan stellen die Koreaner sogar die angesehenste Gruppe dar.

Nach dem Zerfall der Sowjetunion in Russland und elf weitere unabhängige Länder kam es auch unter den ethnischen Koreanern zu großen Veränderungen. Einige Koreaner sind auf der Suche nach einem besseren Leben nach Korea zurückgekehrt, doch die Einheimischen hier verstehen die missliche Situation der ethnischen Koreaner aus Russland und Zentralasien nicht recht. Aus diesem Grund organisiert das Komitee, das für die Planungen der Feierlichkeiten zum 150. Jahrestag der koreanischen Emigration nach Russland verantwortlich ist, das Fest zusammen mit der Stadt Ansan in der Provinz Gyeonggi unter dem Motto: „We are the One“. Hier ist Herr Kim Seung-nyeonk, der eine Gruppe namens Neomeo leitet, die Koreanischunterricht für ethnische Koreaner aus Zentralasien anbietet.

Die koreanische Gesellschaft weiß nicht viel von den ethnischen Koreanern in Russland und Zentralasien, weil von ihrer Geschichte und ihren besonderen Problemen in den normalen koreanischen Medien kaum berichtet wird. Aus diesem Grund gibt es diese Veranstaltung hier. Die Nachkommen der Emigranten in Russland und Zentralasien haben die schlimmsten Tragödien mitgemacht, und nicht wenige haben dabei ihre Identität verloren. Sie sprechen kein Koreanisch, und wenn sie nach Korea kommen, schaffen sie es kaum, sich dem Leben hier anzupassen. Aber zurück können sie auch nicht gehen, denn dort gibt es für sie keine Hoffnung. Usbekistan und die benachbarten Länder in Zentralasien haben große wirtschaftliche Probleme und kümmern sich zuerst um die eigenen Leute. Ethnische Minderheiten wie Koreaner haben da kaum Chancen. Daher denke ich, dass wir ihnen besondere Aufmerksamkeit schenken sollten.

Dieses Jahr findet zum ersten Mal ein Fest über die koreanische Migration in Russland statt. Dass die Stadt Ansan als Sponsor dieser Veranstaltung auftritt, dafür gibt es einen speziellen Grund. Hier ist wieder Herr Kim Seung-nyeok:

Ungefähr 6.000 der 30.000 Nachkommen koreanischer Emigranten in Russland, die sich zurzeit in Korea aufhalten, leben in Ansan. In mancher Hinsicht in Ansan die Hauptstadt der Russlandkoreaner. Die Einwohner Ansans wissen jedoch sehr wenig über diese Gruppe der Rückkehrer aus Russland. Ich hoffe daher, dass die Leute aus Ansan durch eine Veranstaltung wie diese mehr über ihre koreanisch-russischen Nachbarn erfahren und die koreanisch-russische Gemeinde der Rückkehrer bekannter machen.

Ein Fächertanz koreanisch-russischer Tänzer erinnert uns daran, dass wir alle von derselben Abstammung sind, und das Essen, das sie zubereitet haben, soll uns helfen, ihre Kultur und ihr Leben besser zu verstehen.



Frau 1: Je mehr ich über die Russlandkoreaner weiß, desto mehr wird mir klar, dass es sich dabei nicht nur um einen Teil der alten koreanischen Geschichte handelt, sondern auch um Menschen, die mitten unter uns leben.
Mann 1: Ich wusste gar nicht, dass es so viele Russlandkoreaner in Korea gibt, und als ich so viele von ihnen auf einmal sah, war ich sehr überrascht. Ich wünschte mir, die Leute würden sich mehr für die Nachkommen der koreanischen Emigranten, die in Korea leben, interessieren.
Mann 2: Geschichtlich sind die ethnischen Koreaner aus Russland und wir ein und dasselbe Volk. Ich werde mich von nun an mehr für sie interessieren.
Mann 3: Ich wünschte mir, sie könnten in unserer Gesellschaft als Brüder angesehen werden, nicht als Fremde. Ich hoffe, dass uns diese Veranstaltung näher zusammenbringt.


Die beliebteste Veranstaltung beim „We are the One“-Fest war das koreanische Theater aus Kasachstan. Es ist das erste von Koreanern gegründete Theater im Ausland.

Das koreanische Theater in Kasachstan wurde 1932 in Wladiwostok gegründet. Damals war es ein fahrendes Theater namens Wondong Byungang Chosun-Theater. Im Theater wurden klassische koreanische Dramen und Geschichten über Aktivitäten der koreanischen Unabhängigkeits- und Bauernbewegung für die ethnisch koreanischen Bewohner in Russland gezeigt. Es war das erste koreanische Theater im Ausland und der Vorgänger desjenigen koreanischen Theaters, das sich jetzt in Almaty in Kasachstan befindet. Dieser Hort der koreanischen Kultur hat den Koreanern, die 1937 zur Umsiedlung nach Zentralasien gezwungen worden sind, und ihren Nachkommen viel Trost gespendet.
Das war die Erklärung von Direktor Kim Sang-nyeol vom Museum für die Geschichte der koreanischen Migration über die Schlüsselrolle, die das koreanische Theater in Kasachstan in den letzten 82 Jahren bei der Bewahrung der koreanischen Kultur gespielt hat. Und jetzt ist es das erste Mal, dass das koreanische Theater zu einem Auftritt nach Korea kommt. Hier ist Lyubov Lee, der Präsident des koreanischen Theaters in Kasachstan.

Das koreanische Theater in Kasachstan ist ein historisch wichtiger Ort für ethnische Koreaner, die nicht in Korea leben. Es ist ein natürliches Bedürfnis aller Menschen, die irgendwo im Ausland leben, dass sie ihre eigene Kultur beibehalten wollen. Das koreanische Theater in Kasachstan half den koreanischen Migranten in Russland lange Zeit, zusammenzuhalten und die koreanische Kultur zu bewahren. Immer, wenn ich Korea besuchte, war es mir, als ob meine Seele Freudentänze machen würde. Es ist wirklich toll, dass ich mein Vaterland so einfach besuchen kann, und ich spüre, dass wir durch ein unsichtbares Band miteinander verbunden sind.

Der Titel des Theaterstücks lautet: „Durch das gleiche Schicksal verbunden“.

Ethnische Koreaner in Russland und Zentralasien haben ihr Nationalgefühl niemals ganz verloren, sie haben koreanische Volkslieder gesungen, um sich an ihre Herkunft zu erinnern. Die Mitglieder des koreanischen Theaters in Kasachstan arbeiten weiterhin hart daran, die traditionelle koreanische Kultur aufrecht zu erhalten. Die Sängerin des Theaters, Zoya Kim, erzählt uns mehr dazu.

Ich bin so nervös, ich frage mich, ob die Zuschauer meine Aussprache überhaupt verstehen können. Ich mache mir auch Sorgen wegen meiner Lieder, ob sie sich überhaupt nach koreanischen Liedern anhören. Ich spüre die ganze Verantwortung, die ich als Mitglied eines Nationaltheaters habe. Das ist unser einziges Kulturzentrum. Wir haben die Verantwortung, die koreanische Kultur, die Kunst und die Sprache in Kasachstan zu bewahren. Viele der jungen Schauspieler sprechen kein Koreanisch. Auch ich kann es nicht fließend. Inzwischen wird das Interesse aber immer größer, und es ist unsere Aufgabe, die koreanische Kultur und Kunst zu pflegen und zu erhalten. Das ist unsere stolze Verantwortung.

Das Museum über die Geschichte der koreanischen Emigration präsentiert zum Anlass der 150 Jahre koreanischer Migration in Russland eine besondere Ausstellung. Hier ist wieder der Museumsdirektor, Herr Kim Sang-nyeol:

Das Thema dieser Ausstellung ist die Muttersprache. Die Russlandkoreaner hatten drei kulturelle Institutionen, um die koreanische Sprache zu erhalten. Eine von ihnen wurde im Jahr nach der erzwungenen Umsiedelung geschlossen, doch die anderen zwei haben überlebt und stehen jetzt im Zentrum unserer Ausstellung: das koreanische Theater und die Zeitung Koryo Ilbo, die 1923 gegründet wurde.

Die erste Sektion der Ausstellung behandelt das Leben der Autoren, der Regisseure und der Komponisten, die am koreanischen Theater gearbeitet haben. Unter ihnen befinden sich der Dramatiker Han Jin, der ursprünglich aus Nordkorea kam, und der Musikdirektor Yakov Han. In der zweiten Sektion ist neben einigen alten Zeitungsartikeln Material über den Fotografen der Koryo Ilbo, Victor Ahn, und dem Reporter und Dichter Kim Byeong-hak ausgestellt. Die dritte Sektion handelt von Prominenten aus Kasachstan, die von der koreanischen Kultur stark beeinflusst wurden, und in der vierten Sektion werden die Geschichten der ethnischen Koreaner erzählt, die bei der Ausstellung mitgeholfen haben.

Die vergangenen 150 Jahre waren für die Koreaner, die ihr Zuhause verlassen haben, um in der Fremde zu überleben, voller Schwierigkeiten und Entbehrungen. Inzwischen aber finden überall in Korea und in ethnischen koreanischen Gemeinden in Russland und in Zentralasien Festveranstaltungen statt, um die zähe Hartnäckigkeit der Koreaner zu würdigen und die koreanische Kultur zu feiern. Jetzt ist die Zeit gekommen, dass die Nachkommen der koreanischen Migranten einer neuen, hoffnungsvollen Zukunft entgegensehen können.

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