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Kultur

Zeit für Gagok-Lieder

2014-11-11

Am 28. Oktober fand im Gwangjin Art Center ein Konzert zur Feier des hundertsten Geburtstags des Journalisten und Gelehrten Kim Yeon-jun statt. Kim Yeon-jun war der Gründer der Hanyang-Universität in Seoul und hat als Komponist 3.600 Gagok-Stücke geschrieben, zeitgenössische koreanische Lieder. Das Lied, das Sie gerade gehört haben, war das beliebte koreanische Gagok-Lied „Ich werde in den grünen Bergen leben“, geschrieben und komponiert von Kim und gesungen vom Bariton Koh Seng-hyoun.

Frau 1: Ich liebe den Text. Er ist ein Gedicht. Ich liebe das Lied „Ich werde in den grünen Bergen leben“ und singe es die ganze Zeit. Die Worte sind einfach entzückend.
Frau 2: Das ist das perfekte Lied für den Herbst. Der Text besteht nicht bloß aus Wörtern für ein Lied, sondern ist ein ans Herz gehendes Gedicht. Es ist so schön, dass sogar jemand wie ich, der nicht viel von Musik versteht, es genießen kann. Ich höre es mit meinem Herzen.


Der Herbst in Korea ist eine herrliche, aber auch betrübliche Jahreszeit. Das bunte Herbstlaub und der klare blaue Himmel sind reizvoll, doch die kahler werdenden Bäume und die zunehmend kältere Luft lassen einen einsam und sentimental werden. Der schwermütige Herbst ist somit die perfekte Zeit, um sich Gagok-Lieder anzuhören, die im Grunde in Musik gegossene Poesie darstellen. Vielleicht gibt es aus diesem Grund so eine Überfülle an Gagok-Konzerten zu dieser Jahreszeit. Dieses Jahr ist der Herbst besonders einladend für Liebhaber koreanischer Gagok-Lieder, denn der Geburtstag des berühmten Gagok-Komponisten Kim Yeon-jun jährt sich zum hundertsten Mal. Das Museum der Hanyang-Universität feiert dieses Ereignis mit einer Spezialausstellung mit dem Titel „Poesie auf Notenblättern – ein Jahrhundert Gagok“. Hier ist der Kurator des Hanyang-Museums, Hwang Na-young, um uns mehr darüber zu erzählen.



Die Ausstellung hat zwei Teile: die Geschichte des Gagok und die Musikwelt von Kim Yeon-jun. Der erste Teil beinhaltet die Einführung des westlichen Musik nach Korea, die Entwicklung des Gagok und koreanische Komponisten, Poeten und Sänger, die Gagok zu einer eigenständigen koreanischen Musikrichtung entwickelt haben. Im zweiten Teil wird gezeigt, wie beliebt Gagok-Lieder einmal waren. Eine Zeit lang war Gagok in Fernsehshows und Konzerten nicht wegzudenken, jeder liebte und sang Gagok-Lieder. Die Ausstellung beleuchtet diese Zeit, und Besucher sind eingeladen, sich ein paar Gagok-Lieder anzuhören und sich ein Konzert von damals anzusehen.

Die Geschichte der koreanischen Gagok-Lieder begann im späten 19. Jahrhundert, als die westliche Kultur durch ausländische Missionare in Korea eingeführt wurde. Zur Verbreitung des Christentums brachten sie Kirchenlieder mit, und so kam auch die westliche Musik ins Land. Die Gagok-Entstehung überschneidet sich daher mit der Verbreitung der westlichen Musik in Korea. Hier ist noch einmal der Museumskurator Hwang Na-young:

Westliche Missionare brachten westliche Musik nach Korea. Zeitgenössische Komponisten wie Kim In-shik und Hong Nan-pa kamen zum ersten Mal mit dieser neuen Musik aus dem Westen in Kontakt, als sie die Frau eines Missionars beim Klavierspielen sahen Es gibt Aufnahmen, wie sie von den Missionaren lernen, westliche Instrumente wie zum Beispiel Geige, Klavier und Orgel zu spielen. Dann wurde Musik an den Missionarsschulen unterrichtet, und die Schüler wurden so natürlich mit dieser Art von Musik bekannt. Westliche Musik war ein wichtiger Bestandteil der Stundenpläne in der Schule der Saemunan-Kirche, die von Horace Grant Underwood gegründet wurde, dem ersten christlichen Missionar in Korea, sowie der Ewha Haktang und der Pai Chai Haktang. An der Ewha Haktang wurde 1925 die erste Musikabteilung in Korea eingerichtet, wo Kirchenlieder unterrichtet wurden. Musiker von der Ewha Haktang gingen dann zum Studieren nach Japan, in die USA und nach Europa und
machten nach ihrer Rückkehr die westliche Musik in Korea berühmt.


Die Ausstellung zeigt Kirchenlieder, die den Schülern damals beibegracht wurden, und musikalische Aufführungen an modernen Schulen sowie die ersten Kirchenlieder Koreas, die von Horace Grant Underwood komponiert wurden. Das Liederbuch von Underwood wurde 1894 veröffentlicht und beinhaltet 88 Kirchenlieder. Es gilt als das erste Musikbuch Koreas mit westliche Musik und wurde im letzten August von der Behörde für kulturelles Erbe als nationales Kulturgut Nummer 478 anerkannt. So entstand die frühe koreanische Gagok-Musik zwangsläufig aus der westlichen Musik. Die Direktorin Choi Young-shik vom Forschungsinstitut für koreanische Kunstlieder erzählt uns mehr darüber.

Anfang der 1920er Jahre war die Gagok-Musik ganz ähnlich wie westliche Musik. Gagok ist ein Sammelbegriff für koreanische Lyrik und Poesie zu westlicher Musik. Das ist ein Unterschied zu der Art von Gagok in der traditionellen koreanischen Musik. Das Wort Gagok, wie wir es heute verwenden, bedeutet Lyrik in Verbindung mit westlicher Musik, die mit musikalischer Begleitung gesungen wird. Aus diesem Grund weisen die frühen Gagok-Stücke oft eher holprige Harmonien zwischen Text und Musik auf.

Was ist eigentlich Koreas erstes Gagok-Lied? Vermutlich ist das „Bongseonhwa“, das 1920 von Hong Nan-pa komponiert wurde und die Balsamine beziehungsweise das Gartenspringkraut bezeichnet. Direktorin Choi Young-shik erzählt uns mehr darüber.

Hon Nan-pa war auch ein Schriftsteller. Seine Sammlung von Kurzgeschichten mit dem Titel „Seele einer Jungfrau“ beinhaltet in der Einleitung eine Geigenmelodie namens „Aesu“ (auf Deutsch etwa „Melancholie“). Drei Jahre später schrieb der Lyriker Kim Hyeong-jun den Text dazu, und do entstand das gagok-Lied „Bongseonhwa“.

Der poetische Text des traurigen Stücks „Aesu” betonte die hoffnungslose Situation und sprach die tieftraurigen Gefühle der Koreaner damals an.

Die Ausstellung zeigt den Ursprung des Gagok und auch, wie es sich verbreitet hat. So wie die dichterischen Reflexionen über die Situation und die vorherrschenden Gefühle der Zeit mit Musik verbunden waren, so änderte sich im Lauf der Zeit der Charakter des Gagok. Zur Zeit der japanischen Besatzung behandelten die meisten Lieder das Leid des koreanischen Volks und die verzweifelte Sehnsucht nach Unabhängigkeit. Das meistbekannte Gagok-Lied der damaligen Zeit war „Seonguja“ (etwa „Wegbereiter“), ein Gedicht aus der Feder Yoon Hae-youngs mit der Musik von Cho Du-nam, das von 1933 stammt.

Den Hintergrund für dieses Lied stellt die Stadt Longjing dar, die nicht in Korea, sondern in China liegt, wo koreanische Freiheitskämpfer ihr Hauptlager hatten. Drei Kilometer von der Stadt entfernt befand sich ein Berg, und auf seinem Gipfel stand eine einzelne Kiefer, die in dem Lied „Seonguja“ besungen wird.

Der grüne Kiefernbaum wird älter und älter,
Und der Hyeran-Fluss fließt tausend Jahr.
Der Kämpfer, der am Fluss entlang vor langer Zeit sein Pferd gespannt,
Was machen seine Träume heut?


Die Kiefer symbolisiert die Entschlossenheit der Freiheitskämpfer nach Unabhängigkeit. Als das Lied unter den Koreanern zu beliebt wurde, fällte die japanische Regierung 1938 den Kiefernbaum. Doch im Jahr 1991 pflanzte ein koreanischer Bürgerrechtler zusammen mit der Stadt Longjing erneut einen Kiefernbaum an derselben Stelle, wo der symbolgeladene Baum einst stand.

Die Freude über die Befreiung währte nur kurz. Die Menschen Koreas hatten im Koreakrieg, der kurz danach ausbrach, viel zu leiden. Doch trotz der Schwierigkeiten erlebte die Gagok-Musik eine Blüte. Der Kurator des Hanyang-Museums, Hwang Na-young, erklärt dazu:



Der tragische Koreakrieg war der Auslöser für eine Reihe bedeutender Lieder. Koreaner flüchteten in südliche Städte wie Daegu und Busan, wo Dichter und Komponisten sich trafen, um die überwältigenden Gefühle jener Zeit musikalisch zu verarbeiten. Einige der besten Gagok-Stücke wurden damals geschaffen, wie etwa „Gerstenfeld“ und „Bimok“.

Selbst als der Krieg schon vorbei war, war das Drama für die Koreaner noch lange nicht zu Ende. Das ganze Land war verwüstet, unzählige Koreaner hatten ihre Häuser und Angehörigen verloren und die Felder waren mit den Körpern der Gefallenen übersät. Im Jahr 1969 schrieb die Fernsehproduzentin Han Myeong-hee ein Gedicht namens „Bimok“, als sie die Leichen unbekannter Soldaten auf einem Schlachtfeld gesehen hatte, und als der Liedermacher Jang Il-nam dazu die Musik komponierte, wurde so ein weiteres legendäres Gagok-Lied erschaffen. Auf der Sonderausstellung im Hanyang-Museum kann man das Interview mit Han Myeong-hee hören.

Die Teilung Koreas hatte die Trennung vieler Familien untereinander und von ihrer Heimat zur Folge. Inzwischen ist Nordkorea ein Land geworden, in das niemand zurückkehren kann. Die tiefe Liebe zur Heimat und zu den Angehörigen ist das Hauptmotiv in dem beliebten gagok-Lied „Sehnsucht nach dem Geumgang-Gebirge“ von 1961.

Die Gagok-Lieder Koreas dienten immer dazu, die gebrochenen Herzen der Koreaner zu trösten und ihnen in ihren schwierigsten Stunden Hoffnung zu geben. In der Ausstellung gibt es eine Sektion über die Dichter und die Musiker, die Gagok mitentwickelt haben. Der Museumskurator Hwang Na-young erzählt uns wieder mehr darüber.

Ein gutes Gagok-Lied besteht aus drei Komponenten: ein ergreifendes Gedicht, eine dazu passende Melodie und ein Sänger, der die Gefühlslage am besten ausdrücken kann. Wir haben daher eine Sektion für die Dichter, Sänger und Komponisten, die am meisten zur Entwicklung der Gagok-Musikrichtung beigetragen haben. Wir haben Möbel, Musikinstrumente, Melodien und Zeitschriften aus der damaligen Zeit. Vom verstorbenen Komponisten Na Wun-yeong haben wir uns ein Grammophon ausgeliehen, und aus dem Nachlass Hong Nan-pas stammen ein Aschenbecher, ein Stifthalter sowie ein Ring, den er zum Abschluss der Musikschule bekam.

Einige der Lieder weisen verschiedene Texte zu derselben Melodie auf. So hat Chae Dong-seon zum Beispiel ein Lied geschrieben, das drei verschiedenen Texte hat, es gibt also drei verschiedene Versionen dieses Gagok-Liedes.

Chae Dong-seon hat eine Melodie namens „Gohyang” („Heimat“) komponiert. Die Melodie sollte das gleichnamige Gedicht des Poeten Jeong Ji-yong vertonen. Doch der Dichter ging 1950 nach Nordkorea, und dieses Gagok-Lied wurde daraufhin verboten. Ein anderer Dichter hat danach einen neuen Text für das Lied geschrieben, das seitdem unter dem Titel „Sehnsucht“ bekannt ist. Später änderte der Dichter Park Hwa-mok den Text ein wenig und nannte es „Manghyang“, was „Heimweh“ bedeutet. Die Tragödie Koreas war somit dafür verantwortlich, dass es drei verschiedene Versionen von einem Gagok-Lied gibt.

Es gibt auch Beispiele für verschiedene Melodien zu demselben Text.

Wenn ein Gedicht wirklich gut war, dann wollten es mehrere Komponisten verwenden. Das berühmteste Gedicht, das jemals in Korea vertont wurde, ist „Azalea“ von Kim So-wol. Die Worte sind einfach perfekt dafür geeignet, in Musik gesetzt zu werden. Es ist auch das beliebteste Gedicht der Koreaner, und es wurde für ganze fünfzehn verschiedene Lieder verwendet.

Die glorreichen Tage des Gagok erstreckten sich bis in die 1980er Jahre. Damals gab es viele Fernseh- und Radioshows über Gagok, und Gagok-Konzerte waren so begehrt, dass die Eintrittskarten regelmäßig ausverkauft waren und der Schwarzmarkt florierte. Doch dann kam der Aufschwung der Popmusik, und die Gagok-Lieder wurden von Rock- und Tanzmusik abgelöst. Gagok macht derzeit aber eine Veränderung durch, um mit den Bedingungen Schritt zu halten und seine ehemalige Anerkennung zurückzugewinnen. Die Direktorin Choi Young-shik vom Forschungsinstitut für koreanische Kunstlieder erklärt mehr dazu.

Man könnte denken, dass die koreanischen Gagok-Lieder inzwischen verschwunden sind, doch das stimmt nicht. Gagok gibt es in Korea seit der Zeit der Kolonisierung, um den Menschen in ihrer Not eine Stimme zu geben. Gagok ist die wahrhafte Verkörperung der koreanischen Gefühle, denn die schönsten und beliebtesten koreanischen Gedichte sind darin musikalisch ausgedrückt. Trotz des übermächtigen Erfolgs von K-Pop und anderen Musikrichtungen glaube ich, dass das Andenken an die Gagok-Lieder weiterleben wird.

Fast ein Jahrhundert lang haben die Gagok-Lieder die Gefühle der Koreaner ausgedrückt und ihnen Trost in hoffnungslosen Zeiten verschafft. Auch heute noch beeindrucken Gagok-Lieder mit ihrer wunderschönen poetischen Lyrik und den Melodien.

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