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Kultur

Kim Yujeong: „Stechende Sonne“

2022-01-25

ⓒ Getty Images Bank

Der stämmige Deok-sun griff mit der rechten Hand nach dem linken Hemdsärmel, um sich die verschwitzte Nase abzuwischen, bevor er an der Kreuzung von Tongan zum Stehen kam.

Er sah sich um, sein Gesicht war von der Hitze gerötet. Die Mittsommersonne brannte und zwang die Menschen in den Schatten der Dachvorsprünge.


Je seltener oder schwieriger zu behandeln die Krankheit, desto mehr Geld bekam man. Deok-sun konnte nicht anders, als sich zu fragen, wie viel die seltene Krankheit seiner Frau wohl einbringen würde. Wenn der Junge zehn Won bekam, würde sie vielleicht fünfzehn bekommen. Er dachte, dass die Sache wirklich nur Vorteile bringen würde, sie könnten die Krankheit behandeln lassen und reichlich zu essen bekommen.

In diesem Augenblick fiel sein Blick auf ein Kind, das auf der Straße Melonen verkaufte. Deok-sun erinnerte sich, dass er vier Jeon in seinem Beutel hatte, schaute dann aber woanders hin und tadelte sich selbst dafür, dass er das Undenkbare gedacht hatte. Er hatte das Geld seit gestern behalten, weil er dachte, dass nur ein weiterer Jeon zu den vier Münzen ausreichen würde, um eine Tüte Tabak zu kaufen. Er wagte es nicht, die kostbaren Münzen für Melonen auszugeben.



Literaturkritikerin Jeon So-yeong:

Deok-su war Bauer, zieht aber in die Stadt, weil die japanischen Grundbesitzer die koreanischen Bauern ausbeuten. Doch das Leben in der Stadt ist nicht anders. Der Titel der Geschichte „Stechende Sonne“ weist darauf hin, wie es den Menschen in der Stadt ergeht. Ausdrücke wie „windstille Straßen“ und „schwerer, stickiger Staub“ sind Metaphern für die Armut und Gefühllosigkeit, die Deok-suns Familie quälen. Eine andere Metapher für ihre Not ist die Krankheit der Frau. Deok-sun sollte sich um die Gesundheit seiner Frau sorgen, aber er will ihre Misere nutzen, um etwas Geld zu verdienen. Er erwartet, dass er umso mehr Geld bekommt, je ungewöhnlicher ihre Krankheit ist. Es mag herzlos von ihm erscheinen, so zu denken, aber es zeigt, wie verzweifelt das Leben des Paares ist.



Das einzige, was noch zu tun blieb, war es, sie zurück in diesen tristen, kalten Raum zu bringen und zu warten, bis sie sterben würde.

Deok-sun dachte an die dunkle Zukunft, während er sich die Schweißtropfen mit der Faust wegwischte. Er war mit großen Hoffnungen nach Seoul gekommen, hatte hier alles verloren und war nun dazu verdammt, seine Frau zu verlieren.

An liebsten hätte er laut gejammert und sein Schicksal beklagt, aber nur ein Seufzen entkam seinen Lippen.


Es war Jungbok, die Hundstage mitten im Sommer, und die stechende Sonne war heiß genug, um die Hörner eines Stiers zum Schmelzen zu bringen. Während Deok-sun weitertrottete und sich den Schweiß vom Rücken wischte, schluchzte seine Frau auf dem Tragegestell und hinterließ immer weitere unzählige letzte Wünsche.




Kim Yujeong (1908-1937): „Stechende Sonne“

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