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Geschichte

Koreas Kulturpolitik der 1970er Jahre

2015-06-02

Koreas Kulturpolitik der 1970er Jahre
Am 20. Oktober 1973 fand am Nationaltheater Koreas die erste offizielle Feier zum Tag der Kultur statt. Bei der Zeremonie wurden Künstler und Bürger dazu aufgefordert, sich am ersten Fünfjahresplan für Kultur und Kunst, der einen Tag zuvor, am 19. Oktober, bekannt gegeben worden war, aktiv zu beteiligen.

Das öffentliche Bewusstsein über Kultur war zu der damaligen Zeit minimal. Der fünfjährige Kulturförderplan der Regierung gab den Rahmen für die künftige Kulturpolitik, und alle, die ein Interesse an den verschiedenen Bereichen der koreanischen Kulturindustrie hatten, wurden ermutigt, aus den altehrwürdigen koreanischen Traditionen ein neues kulturelles Fundament zu bilden. Der Plan resultierte aus der kühnen Ambition der Regierung, eine kulturelle Renaissance einzuleiten. Es war ein langfristiges Projekt, das elf kulturelle Bereiche umfasste, darunter Musik, Literatur, bildende Kunst, Filme, Tanz und Korea-Studien allgemein. Der Kulturkritiker Kim Heon-shik erzählt uns mehr über den Plan.

Die Korea Culture and Arts Foundation, die Vorgängerin der heutigen koreanischen Kulturstiftung, wurde gegründet, um die Aufsicht über die Kulturförderung zu führen. Das übergreifende Ziel des Plans bestand darin, auf Basis der traditionellen Kultur eine neue koreanische Kultur zu kreieren und das öffentliche Interesse an der Kultur wieder zu beleben. Eine neu gegründete Rundfunkinstanz sollte die Fernsehsender überwachen und Projekte für die kulturelle Infrastruktur wurden ins Leben gerufen, um den internationalen Kulturaustausch zu fördern und den Status Koreas unter den Weltkulturen zu erhöhen. Förderprogramme für Künstler und Schriftsteller wurden ausgerufen, um das Niveau des öffentlichen kulturellen Bewusstseins zu erhöhen. Schließlich drängte die Regierung darauf, dass diese Projekte das koreanische Kulturerbe übernehmen und weiter entwickeln sollten.

Der Fünfjahresplan zur Kulturförderung begann mit dem landesweiten Projekt, ein nationales Bewusstsein wiederherzustellen, das in der Zeit der japanischen Kolonialregierung und des Koreakriegs fast vollständig verloren gegangen war. Überall wurden Forschungszentren für koreanische Studien aller Art eröffnet und Literaturklassiker, die sich in Lagerhallen stapelten, wurden in Hangeul übersetzt, damit normale Koreaner sie lesen konnten. Viel Material über Korea aus Bereichen wie Politik, Sozialkunde, Philosophie, Geographie und anderen wurde wiederentdeckt. Professor Cheon Jung-hwan von der Abteilung für koreanische Sprache und Literatur an der Sungkyunkwan-Universität glaubt, dass die Untersuchungen damals die Grundlage für die heutige Korea-Forschung darstellen.

Die Forschungen damals hatten einen entscheidenden Einfluss auf das Studium der Geschichte, klassischen Literatur und Sprache Koreas. Damals wurde auch das Forschungszentrum für koreanische Kultur (AKS) gegründet. Verschiedene Zentren, die sich auf die Übersetzung von alten Klassikern und historischen Dokumenten spezialisierten, wurden ebenfalls eröffnet, und sie produzierten unzählige Publikationen. Sie halfen dabei, die Übersetzung der Klassiker als wichtige akademische Disziplin im Bereich der Korea-Forschung zu etablieren.

Als die Regierung damit anfing, eine aktive Rolle bei der Entdeckung der traditionellen Kultur zu übernehmen, wurden unzählige kulturelle und historische Relikte im ganzen Land aufgefunden. Um diese Zeit erlangte auch Gyeongju, die herrliche Hauptstadt des alten Königreichs Silla, allmählich ihr Image als historisch wertvolle Stadt. Hier ist erneut der Kulturkritiker Kim Heon-shik.

Die Ziele der Regierung bestanden darin, den Menschen die richtige historische Perspektive zu vermitteln und eine neue Art von Kunst für die Menschen zu erschaffen. So entstand ein weit verbreitetes Interesse am kulturellen Erbe. Die Stadt Gyeongju passte perfekt in dieses Konzept, daher fanden dort zahlreiche kulturelle und historische Projekte statt. Das Silla-Reich und seine Hauptstadt Gyeongju haben Korea traditionell stark beeinflusst, sodass es mehr oder weniger angemessen war, die alte Hauptstadt als wichtigste Stätte für die großzügig finanzierten kulturellen Restaurierungsprojekte auszuwählen.

In der ganzen Stadt wurden alte Gräber entdeckt und die Seokguram-Grotte sowie der Bulguksa-Tempel, zwei der wichtigsten buddhistischen Kultstätten in Korea, wurden neu interpretiert, um der Welt die Pracht des Jahrtausende alten Shilla-Königreichs zu zeigen. In jener Zeit wurden überall in Korea Museen eröffnet. 1975 öffnete das Nationale Volkskundemuseum 1975 innerhalb der Gyeongbokgung-Palastanlage, gefolgt vom Nationalmuseum Gyeongju und dem städtischen Museum Miryang. 1978 wurde das Nationalmuseum Gwangju eröffnet, um Kulturgüter bis hin zu prähistorischen Zeiten auszustellen. Damit begann das Zeitalter lokaler Museen.

Die Regierung förderte auch Gugak, traditionelle koreanische Musikdarbietungen. Lange vergessene Volkslieder, Pansori, und die Bauernmusik namens Nongak wurden wiederentdeckt, und traditionelle koreanische Musiker bekamen volle Unterstützung vom Staat. Die Regierung war dazu entschlossen, die verschiedenen Bereiche der traditionellen Kultur wiederherzustellen und zu fördern und sie an die nächste Generation weiterzugeben. Tatsächlich waren mehr als 70 Prozent des Budgets für die erste Phase des fünfjährigen Kulturförderungsplans für die Wiederbelebung der traditionellen koreanischen Kunst und zur Reparatur und Instandhaltung von Kulturgütern vorgesehen. Warum hatte sich die Regierung so sehr um die Weitergabe der traditionellen Kultur bemüht? Professor Cheon Jung-hwan von der Sungkyunkwan-Universität beantwortet uns diese Frage.

Die Weiterführung der traditionellen Kultur war das meistbetonte Element im Kulturförderplan der Regierung. Sie war unvermeidlich, weil die koreanische Gesellschaft immer westlicher wurde. Die Unterstützung der traditionellen Kultur war eine Strategie gegen die übermäßige Verwestlichung und ein wirksames Mittel, die ganze Nation unter einem Dach von eher konventionellen Vorstellungen zusammenzubringen. Es ist nicht einfach für die Menschen, sich den Bemühungen um unsere traditionelle Kultur zu widersetzen. Aus diesem Grund blühten Museen in Gyeongju, Gongju, Buyeo und anderen historischen Städten auf, und Forschungen über die koreanische Kultur und Geschichte wurden in dieser Zeit sehr gefördert.

In Korea geborene Künstler und Sportler, die weltweit bekannt geworden waren, spielten eine entscheidende Rolle bei der Förderung der staatlichen Kulturpolitik. Die Gewinner verschiedener internationaler Sportwettkämpfe und Kunstwettbewerbe wurden vom internationalen Flughafen Kimpo bis zum Rathaus in Seoul mit Auto-Paraden begrüßt und von großen Menschenmengen bejubelt, während sie die koreanische Fahne schwenkten. Korea war auch Gastgeber für verschiedene internationale Kultur- und Kunstveranstaltungen, die das Image und Prestige des Landes steigerten. Der Kulturkritiker Kim Heon-shik erklärt dazu:

Die Regierung stellte viele Hilfsmaßnahmen für Sportler zur Verfügung. Wenn jemand im Ausland eine Meisterschaft gewonnen hatte, wurde er mit einer Auto-Parade und einer offiziellen Willkommensfeier begrüßt. Das gleiche galt für Künstler. Wenn ein Musiker den ersten Platz bei einem internationalen Wettbewerb erreicht hatte, wurde er wie ein Held behandelt und erhielt Unterstützung entsprechend der gewonnenen Preise. In den Jahren nach 1973 bekam der Großteil der kulturellen und künstlerischen Darbietungen eine nationalistische Note und Künstler und Athleten wurden zur Steigerung des nationalen Prestiges vereinnahmt. Aber diese Praxis ignorierte weitgehend individuelle Leistungen und demokratische Prozesse.

Obwohl die von der Regierung geführte Kulturpolitik die Kultur und den Kunstsektor neu belebte, wurde Kritik laut, dass diese Maßnahmen künstlich und in der Natur eher autoritär seien.

Ein weiteres Ziel des Kulturförderungsplans war die Säuberung der Popkultur. Unter dem Vorwand, eine gesunde Popkultur zu kultivieren, setzte die Regierung Zensuren an Filmen, Fernseh- und Radioshows sowie an populären Songs durch. Unzählige Produktionen mussten eingestellt werden, weil sie als zu obszön oder sozial und kulturell störend galten. Hier ist erneut der Kulturkritiker Kim Heon-shik.

Die Popkultur wurde zu der Zeit eher negativ betrachtet. Die Regierung wollte sie in eine mehr klassische Richtung lenken. Diese Maßnahmen im Bereich Kultur und Kunst standen im Einklang mit der Regierungspolitik. Daher mussten verschiedene soziale und wirtschaftliche Missstände, die in Filmen dargestellt wurden, entfernt werden, um das koreanische Kino weitgehend an einen Standard anzupassen.

Die koreanischen Kinos spürten die unmittelbaren Auswirkungen der kulturellen Reinigungsbestrebungen der Regierung. Die Zahl der Neuerscheinungen ging stark zurück und Filme mit einer Propagandabotschaft dominierten die Leinwände. Professor Cheon Jung-hwan erzählt uns mehr dazu.

Es ist jetzt unvorstellbar, aber damals war Zensur die Norm. Ein Film wurde drei oder vier Mal zensiert, bevor er zur öffentlichen Aufführung zugelassen wurde. Auch Drehbücher und Vorschauen wurden zensiert. Viele Menschen betrachten die 1970er Jahre als das dunkle Zeitalter des koreanischen Kinos, während Mitte bis Ende der 1960er Jahre als das goldene Zeitalter gepriesen wird, mit mehr produzierten Kinofilmen als heute. Doch in den 1970er Jahren kam die Filmindustrie aus zwei Gründen in eine Krise: das Fernsehen und die Zensur.

Die beliebtesten Sendungen im Fernsehen waren professionelles Catchen und Boxen. Es war schwierig, in einem Gespräch mitzuhalten, wenn man nicht über den Eisenschädel des koreanischen Wrestling-Helden Kim Il oder über die Handtechnik von Chun Kyu-doek Bescheid wusste oder auch japanische Profi-Ringer wie Antonio Inoki und Giant Baba nicht kannte. Boxen wurde allmählich zum Nationalsport und junge, aufstrebende Boxer zeigten ihre Beinarbeit und Boxtechniken auf der Straße, während Boxweltmeister wie Hong Soo-Hwan und Yu Jae-doo von den Männern vergöttert wurden. Schüler schwänzten ihren Unterricht, um im Fernsehen eine Welt- oder Asienmeisterschaft zu sehen.

Neben Sportsendungen wurden im Fernsehen meist Serien-Dramas gezeigt. Nach Angaben der Koreanischen Gesellschaft der Fernseh- und Radiodrehbuchschreiber zeigten die drei großen Rundfunkanstalten zwölf tägliche sowie elf wöchentliche Fernsehdramas. Das bedeutet, dass die meisten Koreaner ihre Abendstunden damit verbrachten, im Fernsehen Boxen und Show-Ringen oder Dramas zu sehen. Dies stellt ein starkes Argument dafür dar, das der Staat versuchte, das Volk durch Pop-Kultur zu verdummen. Der Kulturkritiker Kim Heon-shik erklärt dazu:

Die Kulturpolitik der Regierung war dadurch eingeschränkt, dass sie als Mittel für eine bestimmte politische Gruppe verwendet wurde, um die Macht zu erhalten und Menschen zu kontrollieren. Daher mangelte es der Popkultur der 1970er Jahre an kreativer Vielfalt, unkonventionellem Denken und Autonomie. Die meisten der kulturellen und künstlerischen Produktionen waren auf einen Rahmen beschränkt, der von den wenigen Mächtigen abgesteckt war. Diese Tendenz setzte sich bis Anfang der 1990er Jahre fort und war dafür verantwortlich, dass keine innovativen oder zum Nachdenken anregenden Schöpfungen dem Publikum gezeigt werden konnten.

Durch das phänomenale Wirtschaftswachstum in den 1970er Jahren ermutigt nahm die koreanische Regierung im Jahr 1973 eine fünfjährige Herausforderung zur Förderung der Kultur Koreas in Angriff. Doch dieser ehrgeizige Regierungsplan wurde dahingehend kritisiert, dass er bloß die Anzahl von kulturellen und künstlerischen Schöpfungen erhöhe, nicht aber deren Qualität verbessere und darüber hinaus Kultur und Kunst für politische Ziele zweckentfremde. Trotz dieser kritischen Töne ist nicht zu leugnen, dass die staatliche Kulturförderung einen Wendepunkt in der Geschichte der koreanischen Kunst und Kultur darstellt.

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