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Lifestyle

Über die koreanische Sprache - Folge 1

2018-09-22

Hörerecke

Das Yin und Yang des Koreanischlernens. Oder: Wie ich angefangen habe, Koreanisch zu lernen 


ⓒ Getty Images Bank

Eine der grundlegendsten Ausdrucksformen von Gefühlen, Gedanken, inneren Vorstellungen und Weltbildern ist die Sprache. Und wenn man die Kultur und die Menschen eines Landes wirklich kennenlernen will, muss man ihre Sprache lernen. Das gilt selbstverständlich vor allem in dem Fall, wo man beabsichtigt, in dem entsprechenden Land zu leben. Für mich persönlich steht jedenfalls eines fest: Ohne Koreanischkenntnisse könnte ich mir ein Leben in Korea nicht vorstellen.


Nachdem ich in Hamburg an der Musikhochschule und im Studentenwohnheim erste Bekanntschaften mit koreanischen Studenten geknüpft hatte, neugierig auf die Kultur dieser liebenswürdigen Menschen geworden war und festgestellt hatte, dass man in Hamburg Koreanisch in einem Intensivprogramm lernen konnte, begann ich, mich systematisch mit der koreanischen Sprache und Kultur auseinanderzusetzen. Ohne lang zu überlegen, meldete ich mich für den Intensivkurs an, und wie ich so wahnsinnig sein konnte, neben meinem regulären Studium (Musik und Französisch auf Lehramt) zusätzlich noch 20 Stunden Koreanischunterricht pro Woche in meinem ohnehin schon vollen Stundenplan unterzubringen, kann ich heute rückblickend betrachtet kaum noch nachvollziehen. 

Aber die Neugier war stärker als meine Bedenken. Ich wollte einfach wissen, worüber meine koreanischen Freunde sich unterhielten, wenn sie unter sich waren. Ich wollte sie verstehen können. Meine koreanischen Freunde sprachen alle gut, teilweise sehr gut Deutsch, und wir hätten natürlich einfach auf Deutsch sprechen können, aber ich hatte doch das Gefühl, dass sie ganz anders sprachen, wenn sie sich untereinander unterhielten, viel entspannter und natürlicher. Ich hatte das Gefühl, dass da etwas war, das im Deutschen so nicht existierte. Und was das war, wollte ich herausfinden. 

Außerdem erschien es mir viel spannender, eine Sprache zu erlernen, die – begonnen mit der Schrift – so vollkommen anders war als Deutsch, Englisch oder Französisch. Die koreanischen Schriftzeichen waren viel geheimnisvoller und verlockender als einfach nur eine weitere Anordnung lateinischer Buchstaben. Und vielleicht hatte ich unbewusst auch das Gefühl, die tiefe südniedersächsiche Provinz, aus der ich ursprünglich stamme, erst dann ganz hinter mich lassen zu können, wenn ich mich intellektuell bis ans andere Ende der Welt durchgebissen hatte. Die Motive, um als Deutscher eine Sprache wie Koreanisch zu lernen, können teils ein wenig kindisch sein, aber dafür, dass man ausgerechnet Koreanisch lernt, braucht man sich letztlich ebensowenig zu rechtfertigen wie dafür, dass man BWL oder Astrophysik studiert. 


Meine ersten Koreanischlehrer hießen Herr Yi und Herr Oh. Herr Yi war klein und hager, stets höflich, korrekt, präzise, und immer sehr zurückhaltend und vorsichtig in seinen Äußerungen. Herr Oh war in gewisserweise das Gegenteil: klein und rund, fröhlich und direkt, und wenn er gute Laune hatte, was meistens der Fall war, strahlte er über das ganze Gesicht wie ein lachender Buddha. Die beiden waren für uns ein faszinierendes Lehrerduo und mindestens genauso unterhaltsam wie Ernie und Bert. Als ich irgendwann im Bekanntenkreis von Herrn Yi und Herrn Oh erzählte, dachten meine Bekannten zuerst, dass es sich bei den Namen „I“ und „O“ um lustige Spitznamen handele, zu denen wir durch das äußere Erscheinungsbild unserer beiden Dozenten inspiriert worden seien. Und erst nach einer Weile kam der große Aha-Effekt: „Ach, die heißen wirklich so!“


가나다라마바사아자차카타파하 아야어여오요우유으이 – das koreanische Alphabet, hier in vertonter Form. 


Herr Yi (der Kleine, Hagere) lehrte uns hauptsächlich die Regeln der koreanischen Grammatik und verlor sich dabei, wie uns damals schien, nicht selten in etwas langatmigen Erklärungsversuchen. Heute weiß ich, dass das, was uns damals im Anfängerunterricht an der koreanischen Sprache so kompliziert erschien, in Wirklichkeit eigentlich – noch viel komplizierter ist und der gute Herr Yi damals damals wirklich Großes geleistet hat, indem er uns alles so klar und einfach wie möglich vermittelte.

Herr Oh brachte uns vor allem bei, wie man das Ganze in der mündlichen Praxis anwendet. In rasantem Tempo dachte er sich Beispielsätze aus, die wir ins Koreanische zu übersetzen hatten. Dabei ging alles zack-zack. Ich erinnere mich daran, wie wir unseren Spaß hatten, als wir den Ausdruck 마음에 들다 lernten, der bedeutet, dass jemandem etwas gefällt, der sich ganz wörtlich aber auch ungefähr mit den Worten „an jemandes Herz dringen“ wiedergeben lässt. Da in der selben Lektion auch das Vokabular für die verschiedenen Räumlichkeiten eines Wohnhauses behandelt wurden, flogen uns im Unterricht teilweise recht skurrile Sätze um die Ohren. So erinnere ich mich, dass ich zunächst etwas irritiert war, als ich mich plötzlich mit der Aufforderung konfrontiert sah, den Satz „Die Toilette dringt an mein Herz“ ins Koreanische zu übertragen. Und immer wenn ganz am Ende der Stunde wieder ein Lernkapitel abgeschlossen war und uns noch der Schädel schwirrte von all den neuen Wörtern, die noch etwas ungeordnet in unseren Köpfen herumtrudelten, meinte Herr Oh fröhlich: „So! Das müssen Sie jetzt üben bis zum Kotzen!“ und brach dann in das lustige Kichern aus, für das wir ihn so gern hatten. 


Herrn Yi und Herrn Oh verdanke ich viel. Sie haben mir gezeigt, auf welche Weise man sich einer so fremden Fremdsprache wie dem Koreanischen nähern kann. Nämlich einerseits durch sorgfältiges, langsames Reflektieren sprachlicher Regeln – danke Herr Yi! – und andererseits durch aktives, unerschrockenes „Einfach-auch-mal-drauflosquatschen!“ – danke Herr Oh. Das eine geht nicht ohne das andere. Die Regeln müssen verinnerlicht sein, wenn man irgendwann einwandfrei und fließend sprechen will, und das praktische Sprechen muss man immer mit im Sinn haben, wenn man grammatikalische Regeln lernt, denn sonst bleibt jede Regel hohl, abstrakt und nutzlos. Introversion und Extroversion, Ruhe und Bewegung, „Yi und Oh“, wenn man so will, das Yin und Yang des Koreanischlernens. 

Und was mir sonst noch dazu einfällt, erzähle ich beim nächsten Mal.

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