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Nordkorea

Der Privatzug des nordkoreanischen Machthabers

#Schritte zur Wiedervereinigung l 2023-11-08

Schritte zur Wiedervereinigung

ⓒ YONHAP News
Der Bau von Eisenbahnschienen hat die Welt verändert, seit der englische Ingenieur George Stephenson Anfang des 19. Jahrzunderts die erste Dampflokokomotive entwickelte. Kleinere Ansiedlungen und ganze Städte wurden nahe Bahnstationen gebaut, und der Handel wurde dadurch angetrieben. Vor der zunehmenden Konkurrenz durch Auto und Flugzeug war die Eisenbahn das wichtigste Verkehrsmittel für Fernreisen. In Nordkorea bevorzugten die ersten Machthaber Kim Il-sung und Kim Jong-il eine Zugfahrt für ihre Auslandsreisen. Auch ihr Nachfolger Kim Jong-un nimmt dafür oft den Zug. Im September sorgte die Zugfahrt Kim Jong-uns nach Russland erneut für Schlagzeilen. Die nordkoreanischen Staatsmedien berichteten, dass Kim am 10. September seinen Privatzug in Pjöngjang bestiegen habe. Der Zug traf zwei Tage später im Bahnhof von Chassan in der Region Primorje im russischen Fernen Osten ein. Am darauffolgenden Tag traf sich Kim mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin im Weltraumbahnhof Wostotschny. Es war ihr erstes Treffen nach fast viereinhalb Jahren. Als Kim 2019 Russland besuchte, reiste er ebenfalls mit dem Zug. Zum Thema sagt Jeong Eun Chan vom Nationalinstitut für Vereinigungserziehung in Südkorea: 

Nachdem Kim Jong-un an die Macht gekommen war, reiste er bis 2018 nicht ins Ausland, obwohl er im eigenen Land oft unterwegs war. In den Jahren 2018 und 2019 gab es Gipfelgespräche mit Südkorea, fünf Gipfeltreffen mit China, eines mit Russland und zwei mit den USA. Wegen der Grenzschließungen aufgrund von Covid-19 blieb er bis September dieses Jahres, als er Russland besuchte, im eigenen Land. Mit der Ausnahme zweier Gipfel im Jahr 2018 – eines im Mai mit China in Dalian und eines einen Monat später mit den USA in Singapur, benutzte Kim immer den Zug, wenn er sich außerhalb Nordkoreas begab. 

Für seine Reise nach Russland im April 2019 fuhr Kim rund 1200 Kilometer mit dem Zug. Zwei Monate später saß er 60 Stunden im Zug, um den damaligen US-Präsidenten Donald Trump im vietnamesischen Hanoi zu treffen. Für sein erstes Treffen mit Trump im Juni 2018 in Singapur stieg er in ein von China gestelltes Flugzeug. Als er davor im Mai die chinesischen Städte Dalian und Peking besuchte, flog er mit seinem Privatjet mit der Bezeichnung „Chammae-1“. Obwohl eine Flugreise nach Vietnam nur drei Stunden gedauert hätte, bevorzugte er den Zug: 

Sicherheit ist der wichtigste Grund dafür. In einem Zug mit zahlreichen Waggons zu sitzen, macht den Machthaber zu einem schwierigen Anschlagsziel. Wenn Kim reist, setzt Nordkorea drei Züge in Bewegung, einen Vorauszug, um die Strecke zu überprüfen, einen mittleren Zug, der den Machthaber transportiert, und einen dritten für Sicherheitspersonal und Ausrüstung. Die drei Züge fahren in Abständen, sodass es unmöglich ist zu sagen, in welchem Zug sich gerade der Machthaber befindet. Züge haben einen Vorteil, wenn es um den Schutz vor Terroranschlägen geht. Flugzeuge hingegen sind für Attacken von außen sehr anfällig, da ihre Flugstrecke leicht auszumachen ist. 

Während der langen Zugreise kann Nordkorea die eigenen Bürger mit neuen Nachrichten versorgen, um den größtmöglichen Propagandaeffekt zu erzielen. Die Familientradition der Zugreisen fing an mit dem Republikgründer Kim Il-sung: 

Kim Il-sungs Geburtstag wird in Nordkorea „Tag der Sonne“ genannt, das Wort „Sonne“ wird dort immer in Verbindung mit dem obersten Anführer gebracht. „Sonne“ ist der offizielle Name des Zugs, der exklusiv dem Machthaber zur Verfügung steht. Die Einheimischen nennen ihn auch „Spezialzug“ oder „Zug Nr. 1”. Es wird gesagt, dass Kim Il-sung vom früheren sowjetischen Machthaber Joseph Stalin ein Waggon überreicht wurde. Mit der Ausnahme von Kim Il-sungs Besuch in Indonesien 1965, als er flog, benutzten er und Kim Jong-il immer den Zug, wenn sie ins Ausland reisten. 

Kim Jong-il wurde zudem nachgesagt, dass er unter Flugangst gelitten habe. Auch nahm er den Zug, um sich im Ausland einer Operation zu unterziehen. Die Staatsmedien berichteten Ende 2011, dass er sich in einem Zug befunden habe, als er verstarb:  

Nordkorea berichtete offiziell, dass Kim Jong-il in seinem Privatzug starb. Von den 20 Waggons waren vier für das medizinische Personal und Ausrüstung vorgesehen. Doch konnte es den plötzlichen Tod des Machthabers nicht verhindern.

Schon Kim Il-sung nahm bis zu seinem Tod 1994 regelmäßig den Zug. Sein Sohn reiste achtmal zu offiziellen Anlässen ins Ausland. Anders als sein Vater bestieg er dafür niemals ein Flugzeug. Der Enkel Kim Jong-un saß für seine Reise nach Russland tagelang im Zug. Wie sieht der Zug aus?

Von außen betrachtet, sieht der Zug nicht besonders großartig aus. Von oben gesehen, ähneln die dunkelgrünen Waggons den Bäumen, so dass sie nicht auffallen. Der Zug umfasst Schlafzimmer, ein Restaurant sowie Wagen für die Helfer. Der Machthaber kann im Zug arbeiten und Besprechungen abhalten. Er ist mit einem Satelliten-Kommunikationssystem ausgestattet, die Computer sind durch Telekommunikationsnetze verbunden. Auch hat der Zug kugelsicheres Glas, und seine Böden sind mit kugelsicheren Metallplatten ausgelegt. Der Machthaber kann auf seiner Reise wirksam geschützt werden. 

Die Waggons können leicht ausgetauscht und kombiniert werden. Das hängt vom Ziel und dem Reisezweck ab. Auch ist der Zug mit Angriffswaffen wie etwa Granatwerfern ausgerüstet. Er ist im sogenannten Stealth-Modus gebaut worden, um sich der Erfassung durch Radar zu entziehen. Ein Waggon transportiert zudem Kims kugelsichere Limousine der Marke Mercedes-Benz. Auch ist er für seine luxuriöse Innenaustattung bekannt. Kim Jong-il benutzte oft den Zug, um ausländische Gäste, wie etwa hochrangige russische Beamte, zu treffen. Ein russischer Militärbefehlshaber verbrachte längere Zeit in dem Zug während Kims Besuch 2001 in Russland. In seinen Erinnerungen schrieb der Kommandant später, Putins Privatzug habe nicht diesen Komfort wie der Zug Kims. Doch hat der Zug auch Nachteile: 

Trotz der kugelsicheren Metallplatten kann der Zug des nordkoreanischen Machthabers bis zu 100 Kilometer pro Stunde schnell fahren. Er ist jedoch viel langsamer als etwa Passagierzüge in Großbritannien oder als der südkoreanische Hochgeschwindigkeitszug KTX. Als Kim Jong-un im September nach Russland reiste, brauchte er wegen des veralteten Schienennetzes in Nordkorea zwei Tage von Pjöngjang bis Chassan. Auch ist die Strecke bis Chassan auf russischer Seite eine der am meisten verfallenen Strecken. Es scheint, als ob der Zug nicht schneller als 50 Stundenkilometer fuhr.  

Trotz seiner Vorliebe für Zugreisen genießt Kim Jong-un offensichtlich auch das Fliegen. Er kann sogar ein kleines Flugzeug steuern. Doch gibt es noch einen weiteren Grund, warum er das langsamere Verkehrsmittel nimmt: 

Kim Jong-un kann sehr gut ein Flugzeug fliegen. Ein nordkoreanisches Schulbuch von 2015 beschreibt zudem, dass der Machthaber schon im Alter von drei Jahren damit begonnen hat, ein Auto zu fahren. Ich denke, Kim wählte den Spezialzug „Sonne“, der seit den Tagen Kim Il-suns schon seit Jahrzehnten gebaucht wurde, um seine Regierungslegitimität zu unterstreichen. Wir wissen, dass Kim Jong-un seinem Großvater Kim Il-sung ähneln will. Er will vermutlich zeigen, dass er eine Tradition geerbt hat, die über drei Generationen weitergegeben wird. 

Für den jetzigen Machthaber bedeutet die Zugfahrt, dass er seinen Vorgängern folgt. Er hofft, seinen Landsleuten damit demonstrieren zu können, dass er pausenlos für das Wohl der eigenen Bevölkerung arbeitet, während er mit dem Zug unterwegs ist:
 
Auf der anstrengenden Zugfahrt sagt unser lieber Führer, dass er immer zwei Wünsche hat. Erstens, er hofft auf die Schaffung eines „kommunistischen Utopia“, in dem die Menschen so gut leben können, dass sie niemand zu beneiden brauchen. Zweitens, er sagt, dass er gut schlafen will. 

Im vergangenen Jahr zeigte die zentrale nordkoreanische Fernsehstation einige Szenen eines neuen Dokumentarfilms mit dem Titel „Die Eltern des Volks“. Die Szenen zeigten den Machthaber, wie er im Zug arbeitet. Er unterhielt sich mit Parteifunktionären an einem Tisch, auf dem ein PC, ein Notebook und ein Smartphone waren. Der Zug wird auch als „mobiles Büro“ des Machthabers bezeichnet:

Nordkorea produziert Dokumentarfilme, um aktiv die Errungenschaften des Machthabers zu zeigen. Um die Filme, die 40 Minuten, eine Stunde oder eineinhalb Stunden lang sind, abzuschließen, ist es nötig, viele Szenen zu entwerfen, wie etwa solche, die den Machthaber während der Zugfahrt bei der Arbeit in seinem Büro oder in Gedanken zeigen, wie die Alltagsprobleme der Bevölkerung zu lösen sind. Um zu zeigen, wie er sich um die Verbesserung der Lebensverhältnisse während der Reise bemüht, benutzt der Machthaber oftmals seinen privaten Zug, um die verschiedenen Regionen zu besuchen. 

Kim Jong-un benutzt seinen Privatzug nicht nur für Auslandsreisen, sondern auch für Fahrten im eigenen Land. Nach langer Pause während der Corona-Pandemie und der weitgehenden Wiedereröffnung der Landesgrenzen wählte er zunächt Russland aus, um seinen Zug zu benutzen. Es bleibt abzuwarten, wohin ihn sein Zug das nächste Mal bringt.

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