Ereignisse auf der koreanischen Halbinsel

Koreanische Halbinsel von A bis Z

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Derzeitiger Stand der Nuklearproblematik

  • HEU ist ein Problem, weil es die direkte Ursache der zweiten Nuklearkrise um Nordkorea ist. Das Nuklearprogramm, das Nordkorea angeblich während eines Besuches des US-Vizeaußenministers James Kelly im Oktober 2002 in Pjöngjang eingestand, beruht auf hochangereichertem Uran. Das nukleare Brennmaterial, Uran, wird durch die Benutzung in einem Atomreaktor zu Plutonium. Daher kann man die erzeugte Menge an atomwaffenfähigem Plutonium durch eine Inaugenscheinnahme des Auslastungsgrades von Atomreaktoren bestimmen. Die Extraktion von Plutonium (die überwacht und kontrolliert werden kann) allein weist an sich nicht auf eine Absicht zur Entwicklung von Nuklearwaffen hin. Die schiere Tatsache der Produktion von HEU hingegen zeigt sehr wohl eine Absicht zur Entwicklung von Atomwaffen.

    Bei der Auseinandersetzung zwischen Nordkorea und den USA geht es um zwei Hauptprobleme.

    Einmal ist die tatsächliche Existenz von HEU oder eines HEU-Programmes ein Stein des Anstoßes. Die USA behaupten, dass sie ausreichende Beweise hierfür haben, und dass Nordkorea zudem im Oktober 2002 unter vier Augen die Existenz des Programmes eingestanden habe. Allerdings haben sich die USA stets geweigert, die ihre Beweise offenzulegen, während Nordkorea behauptet, die Existenz eines solchen Programmes niemals zugegeben zu haben.

    Zum Zweiten ist Nordkoreas Motiv zur Entwicklung von Nuklearwaffen fraglich. Vormals hatte Nordkoreas Aussage, es würde Nukleartechnologie nur zur Energieerzeugung und für andere friedliche Zwecke nutzen, bereits für Diskussion gesorgt. Nun jedoch hat Nordkorea seinen Besitz von Nuklearwaffen bekanntgegeben. So ernst die Situation auch ist, so sind die Behauptungen um das HEU derzeit nicht strittig. Sie werden allerdings im Prozess zur Lösung der nordkoreanischen Nuklearproblematik zum Streitpunkt werden, besonders in Verbindung mit Pjöngjangs doppelter moralischer Bürde aufgrund seines Verstoßes gegen das Genfer Rahmenabkommen und der darauf folgenden Kritik seitens der internationalen Gemeinschaft.

  • Man geht davon aus, dass Nordkorea seit Beginn der 1950er Jahre mit der Entwicklung von Atomwaffen befasst ist. In den 1960er Jahren hat Nordkorea nach seiner Errichtung eines für Forschungszwecke gedachten Reaktors technische Hilfe von der Sowjetunion zur Errichtung von nuklearen Großanlagen in Yongbyon erhalten. Hier liegt die Wiege für das nukleartechnische Know-how sowie für die Heranbildung nordkoreanischer Nuklearexperten. Nordkorea ist hinsichtlich der Entwicklung von Nukleartechnologie in einer äußerst vorteilhaften Lage, denn Nordkorea verfügt über Uranminen, die vier Millionen Tonnen hochqualitatives Uran produzieren können. Aufgrund von unabhängig ausgeführter Forschung in Bezug auf den Nuklearbrennstoffkreislauf und Herstellungstechnologien konnte Nordkorea in den 1970er Jahren erfolgreich die Leistung seines Forschungsreaktors erhöhen. Nordkorea begann sodann mit dem Bau eines Forschungsreaktors der 5-MW-Klasse (der zweite Reaktor) in den 1980er Jahren.

    Nordkorea nahm im Jahre 1986 seine Uranraffinerien und Uranumwandlungsanlagen in Betrieb und nahm im Jahr 1989 in Taechon die Bauarbeiten für ein 200-MW-Nuklearkraftwerk auf. Zudem konzentrierte Nordkorea seine Aktivitäten auf den Erwerb von Anlagen, die man für den friedlichen Gebrauch von Nuklearenergie genauso verwenden kann wie für die Waffenentwicklung. Es folgte der Bau von riesigen Wiederaufbereitungsanlagen in Yongbyon. Man nimmt an, dass Nordkorea in den 1990er Jahren erfolgreich alle Techniken und Verfahren zur Realisierung des vollständigen Brennstoffkreislaufes entwickelt hatte. Dennoch ist es schwer einzuschätzen, ob das Land tatsächlich bereits über Nuklearwaffenpotential verfügt, da bislang die Entwicklung und ein erfolgreiches Testen eines Zündmechanismus für Nuklearwaffen noch nicht bestätigt ist. Genauso unklar ist der Stand von Nordkoreas Entwicklung geeigneter Flugkörper für Nuklearwaffen (Raketenreichweite, die Fähigkeit, Raketen mit Nuklearsprengköpfen zu bestücken etc.). Angesichts der Fähigkeit Nordkoreas Plutonium zu extrahieren kann man davon ausgehen, dass Nordkorea in der Lage ist, einfache Atomwaffen herzustellen. Es ist nicht auszuschließen, dass solche Waffen bereits produziert worden sind. Obwohl der Informationsmangel in Bezug auf Nordkorea Experten zu unterschiedlichen Folgerungen veranlasst, teilt man allgemein die Ansicht, dass Nordkorea sehr wahrscheinlich über eine oder zwei und möglicherweise über sieben oder acht Atomwaffen verfügt. Bislang hat es China und Russland widerstrebt, öffentlich von einem Atomwaffenbesitz Nordkoreas auszugehen.
  • Nordkoreas erste Forderung waren Sicherheitsgarantien, die zweite Wirtschaftshilfe. Es ist unklar, was Nordkoreas schlussendliche Ziele sind. Obwohl es klar zu sein scheint, dass Nordkorea auf eine vollständige Normalisierung seiner Beziehungen mit den USA hofft, gibt es Stimmen, die behaupten, dass der Aufbau von Nuklearpotential ein strategisches Ziel an sich ist. Andere hingegen glauben, dass der Aufbau von Nuklearpotential ein taktisches Mittel ist, um ein davon unterschiedenes strategisches Ziel zu erreichen.

    Konkrete Forderungen vonseiten Nordkoreas kann man so zusammenfassen :
    - Sichere Zusage durch die USA, Nordkorea nicht anzugreifen (Gegenseitiger Nichtangriffspakt zwischen den USA und Nordkorea)
    - Offizielle Anerkennung des nordkoreanischen Regimes (Entfernung aus der US-Liste der den Terrorismus fördernden Staaten und Aufhebung der Wirtschaftssanktionen)
    - Aufnahme diplomatischer Beziehung zwischen Nordkorea und den USA in vollem Umfang (Einrichtung von Kontakten auf der Botschaftsebene)

    Nordkoreas tiefe Verbitterung über die „Achse des Bösen“-Bemerkungen der Bush-Regierung können in diese Richtung interpretiert werden. Die Logik hinter Nordkoreas Forderung nach Wirtschaftshilfe ist, dass die Aufgabe seines Nuklearprogrammes zu einem großen Verlust führen würde, der durch Energiehilfe kompensiert werden müsste. Aus genau diesem Grunde wurde Nordkorea der Bau von Leichtwasserreaktorkraftwerken sowie die Lieferung von Rohöl angeboten. Aus der Sicht Nordkoreas müssen die Sicherheit und Energiehilfen für das Land immer gemeinsam betrachtet werden. Daher kann die Nuklearwaffenproblematik um Nordkorea nicht gelöst werden, ohne zunächst diese beiden Probleme gelöst zu haben. Nordkorea hofft daher, den Prozess der Aufgabe seines Nuklearprogrammes in mehrere Stufen aufzuteilen und in jeder Stufe entsprechende Gegenleistungen sowohl im Hinblick auf Sicherheitszusagen als auch auf Hilfe zu erhalten. Dabei ist freilich zu bedenken, dass Nordkorea den USA mit Angst und Misstrauen gegenübersteht und es ihm daher widerstrebt, überhaupt aktiv zu werden, solange ihm keine glaubwürdige Gegenleistung offeriert wird.
  • Die grundlegende Position der USA ist, dass es keine „Belohnung für schlechtes Verhalten“ geben kann. Die USA glauben, dass Nordkorea ein ernstes Glaubwürdigkeitsproblem hat und führen hierfür Nordkoreas geheime Fortführung seines Nuklearprogramms nach der Bekanntgabe des Genfer Rahmenabkommens an. Daher ist Washington nicht gewillt, direkt zu verhandeln, es sei denn, Nordkorea gibt zunächst sein Nuklearprogramm auf. Die US-Position ist, dass bilaterale Gespräche zwischen Nordkorea und den USA erst möglich sind, wenn Nordkorea in einem ersten Schritt sein Nuklearprogramm aufgibt. Die USA wünschen darüber hinaus, dass die Sechsergespräche ein multilaterales Rahmenwerk sind, mithilfe dessen Nordkorea dazu gebracht werden kann, sein Nuklearprogramm aufzugeben. Indes ist Washington offen für bilaterale Gespräche mit Nordkorea, sofern diese im Rahmen der Sechsergespräche stattfinden.