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Koreanische Halbinsel von A bis Z

Blick auf Nordkorea

Religionen in Nordkorea

2019-02-14

© Getty Images Bank

Der südkoreanische Präsident Moon Jae-in übermittelte eine Botschaft des nordkoreanischen Machthabers Kim Jong-un an Papst Franziskus, als er diesen im vergangenen Oktober im Vatikan getroffen hatte. Darin lud Kim den Papst nach Pjöngjang ein. Es wäre die erste Reise eines Oberhaupts der katholischen Kirche in Nordkorea. Doch wie ist es mit der Religionsfreiheit in dem Land bestellt? Zum Thema sagt die Forscherin Chung Eun-chan vom Institut für Vereinigungserziehung: 


Nach außen gibt es Religionsgemeinschaften in Nordkorea. Artikel 14 des 2. Kapitels der Verfassung von 1948 besagt: „Die Bürger der Demokratischen Volksrepublik Korea haben die Freiheit des religiösen Glaubens und der Ausübung religiöser Dienste.“ In der Verfassung von 1972 heißt es: „Die Bürger haben religiöse Freiheit und die Freiheit, gegen Religion zu sein.“ Die Verfassung von 1992 erklärt: „Die Bürger haben die Freiheit des religiösen Glaubens. Dieses Recht wird durch die Bewilligung garantiert, Religionshäuser zu bauen und religiöse Zeremonien abzuhalten. Niemand sollte die Religion als Mittel benutzen, um eine ausländische Macht anzuziehen oder die soziale Ordnung zu zerstören.“ Die Verfassung von 1998 und die von 2009 enthalten ebenfalls diesen Artikel. Die Freiheit der Religion ist in dem Kapitel über die „fundamentalen Rechte und Pflichten der Bürger“ in der sozialistischen Verfassung Nordkoreas garantiert. 


Die Sorae-Kirche wurde 1884 in der Provinz Hwanghae im Norden als erste protestantische Gemeinschaft in Korea gegründet. Ein Benediktiner-Kloster, das 1927 nach Tokwon in der Provinz Süd-Hamgyeong umzog, war zu seiner Zeit das größte seiner Art in Nordostasien. Als Zentrum der wachsenden Christengemeinde wurde Pjöngjang sogar als „Jerusalem des Ostens“ genannt. Ende der 1940er Jahre, also nach der Befreiung Koreas von der japanischen Kolonialherrschaft, praktizierten 22 Prozent der Bevölkerung im nördlichen Teil der Halbinsel eine Religion. Es wird geschätzt, dass 1,5 Millionen Menschen den indigenen Glaubensvorstellungen von Cheondogyo, was so viel wie Religion des himmlischen Weges bedeutet, folgten. Es gab etwa 375.000 Buddhisten sowie 257.000 Christen im Norden. Doch nach dem Ende des Korea-Kriegs 1953 war von der Freiheit der Religion faktisch nichts mehr übriggeblieben: 


Während der Herrschaft von Staatsgründer Kim Il-sung wurde Religion als Opium für die Leute beschrieben. Es wurde angenommen, dass die Religion die ideologischen, politischen und sozialen Grundfesten des Landes zerstören können, die das Regime stärken. Beim Aufbau einer totalitären Ein-Mann-Herrschaft galt Religion als etwas, was gegen die staatliche Juche-Ideologie der Selbstbestimmung war und kontrolliert werden musste. 


Das Regime stärkte den Personenkult um Machthaber Kim Il-sung. Religionen galten als Risikofaktor. Die Religionsgemeinschaften waren daher seit der Staatsgründung einer Unterdrückung ausgesetzt. Angehörige einer Religion wurden als „Dissidenten“ aus dem Weg geschafft. Religiöse Orte wurden in Lagerhäuser und Betreuungszentren umgewandelt. Doch die Religionspolitik änderte sich, als Nordkorea 1972 in einen Dialog mit Südkorea trat:


Nach dem Beginn des innerkoreanischen Dialogs 1972 hat sich Nordkorea der Religion mehr geöffnet. Im Jahr 1989 gründete Nordkorea die Abteilung für Religion an der Kim Il-sung-Universität. Doch die Abteilung gibt es jetzt nicht mehr. 1972 öffnete das Pjöngjanger Institut für Theologie. Nordkorea schloss das Institut 1995, aber öffnete es wieder 2000. Auch erlaubte es religiöse Organisationen, Pastoren auszubilden. Ein nordkoreanisches Religions-Komitee sandte 2003 einige Studenten an das kirchliche Seminar in Moskau, um sie als Priester der russischen Orthodoxen Kirche ausbilden zu lassen. 


Diese Maßnahmen wurden mit dem Zweck getroffen, die Außenwelt glauben zu machen, dass Nordkoreaner das Recht zur Religionsausübung hätten. Tatsache ist jedoch, dass religiöse Organisationen streng kontrolliert werden. Ihre Rollen sind darauf beschränkt, Hilfslieferungen entgegenzunehmen oder Kooperationsprojekte mit religiösen Gruppen in anderen Ländern durchzuführen:  


Die Errichtung religiöser Häuser ist jenseits von dazu bestimmten Gegenden verboten. 1988 wurden in Pjöngjang die Jangchung-Kathedrale und die Bongsu-Kirche gebaut. Kim Il-sungs Mutter Kang Ban-sok war eine gläubige Christin. Ban-sok bedeutet „Fels“ in der Bibel, wie in „mein Fels und mein Erlöser“. Es wird gesagt, dass Kim an der Hand seiner Mutter zur Kirche ging, als er klein war. An dem Ort, wo die Kirche stand, die er besuchte, steht die Chilgol-Kirche. Alle buddhistischen Tempel in Nordkorea einschließlich des Bohyon-Tempels wurden von der Regierung ausgewählt. Es gibt Menschen, die religiöse Einrichtungen aufsuchen, doch die meisten Menschen gehen aus Furcht vor Kritik nicht dahin. 


In einem Bericht Nordkoreas an die UN-Menschenrechtskommission hieß es 2002, dass es im Land 15.000 Angehörige von Cheondogyo, 12.000 Protestanten, 800 Katholiken und 10.000 Buddhisten gebe. Doch in Wirklichkeit werden die Bürger an der Ausübung religiöser Praktiken gehindert. Flüchtlinge aus Nordkorea sagen, dass Religionsausübende bestraft würden: 


In Nordkorea werden Christen strenger verfolgt als Gläubige anderer Religionen. Christen werden oftmals in politische Gefangenenlager gebracht oder stehen öffentlich vor Gericht. 


Nach einem Bericht des US-Außenministeriums über die Religionsfreiheit vom vergangenen Jahr befinden sich 80.000 bis 120.000 Menschen in Nordkorea in politischen Lagern, und eine große Zahl von ihnen wird wegen ihrer Religion interniert. Der Sender Radio Free Asia zitierte einen Nordkoreaner, wonach er wegen des Besitzes einer Bibel zu 15 Jahren Zwangsarbeit verurteilt worden sei:  


Nordkorea ist wiederholt gegen Menschen vorgegangen, die eine Religion praktizieren. Der Zweck davon ist die Erhaltung des Regimes. Seit der wirtschaftlichen Not Mitte der 90er Jahre hat Nordkorea einige religiöse Aktivitäten erlaubt, um Nahrungsmittel von internationalen Religionsorganisationen zu erhalten und zu demonstrieren, dass Religionsfreiheit in dem Land besteht. Nordkorea hat Religion dazu genutzt, internationale Kritik wegen Menschenrechtsverletzungen und Verstoßes gegen die Religionsfreiheit abzuwehren.

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