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Koreanische Halbinsel von A bis Z

Blick auf Nordkorea

Die soziopolitische Klassifizierung in Nordkorea

2019-01-10

© YONHAP News

Der nordkoreanische Machthaber Kim Jong-un und seine Schwester Kim Yo-jong werden oft mit der sogenannten Baekdu-Blutlinie in Verbindung gebracht, die sich auf die direkte Linie des früheren Staatschefs Kim Il-sung bezieht. Nordkorea hält die Sonderstellung und Legitimität der herrschenden Kim-Familie in Ehren. Wir wollen näher das nordkoreanische Kastenwesen untersuchen. Dazu sagt der aus Nordkorea stammende Leiter des Weltinstituts für Nordkorea-Studien, Ahn Chan-il: 


Die Nordkoreaner werden in drei Klassen unterteilt: die Kernschicht, die schwankende Gruppe und die Feindseligen. Nach den massiven politischen Säuberungen 1958 spürte Nordkorea die Notwendigkeit, potenzielle innenpolitische Gefahren zu kontrollieren und Personen danach zu klassifizieren, ob sie loyal oder illoyal gegenüber dem Regime sind. Nach Jahren der Prüfung etablierte die Arbeiterpartei die drei neuen Klassen und 51 Unter-Kategorien. Die Einwohner wissen in etwa, zu welcher Klasse sie gehören. Wenn es ihnen nicht erlaubt ist, eine Hochschule zu besuchen oder der Partei beizutreten, merken sie, dass sie Mitglieder der feindseligen Klasse sind. Doch wissen sie nicht genau, welche der Unter-Kategorien auf sie angewandt wird. Die Partei verwaltet die relevanten Dokumente zu jedem einzelnen Bürger. 


Nordkorea hat seit seiner Staatsgründung 1948 das Land als “Arbeiterparadies” propagiert. In Artikel 70 der Verfassung heißt es, dass alle erwerbsfähigen Bürger ihre Arbeit gemäß ihren Wünschen und Fähigkeiten aussuchen können. Doch die Wirklichkeit sieht anders aus. Die Einteilung der Bürger in drei Klassen stand auch in Verbindung mit den Aktivitäten ihrer Vorväter während der japanischen Kolonialzeit und des Korea-Kriegs. Die von Kim Il-sung eingeführte soziopolitische Klassifizierung wurde nach dem Muster des sowjetischen Statussystems in den 50er und 60er Jahren vorgenommen: 


Zur Kerngruppe gehören die Nachfahren von Personen, die sich während der Kolonialzeit und des Korea-Kriegs keines Verbrechens schuldig gemacht haben und keiner Religion angehören. Verbrechen bedeutet in diesem Fall reaktionäres Verhalten. Theoretisch sind die Mitglieder der Kernschicht arme Landwirte, Arbeiter und Besitzlose. Die Spitze der Klasse besetzt die „Baekdu-Blutlinie“, also die Drei-Generationen-Abstammung der herrschenden Kim-Dynastie von Kim Il-sung über Kim Jong-il zu Kim Jong-un. Die Kerngruppe hat auch den sogenannten Baekdu-Stamm, oder die Nachfahren derer, die als Partisanen oder Soldaten im Korea-Krieg gekämpft haben. Das sind in der Mehrheit hochrangige Mitglieder der Regierung und der Partei. Die privilegierte Klasse hat die Macht und lebt im Wohlstand. Zu den Privilegien gehört auch das Recht, die renommierte Kim Il-sung-Universität zu besuchen. Der frühere Machthaber Kim Jong-il, seine Schwester Kim Kyong-hui und die Schwester des jetzigen Führers, Kim Yo-jong, studierten allesamt Politik und Wirtschaft an der Universität. 


Auf die Eliteschicht entfallen etwa 30 Prozent der Bevölkerung. Sie genießen Vorteile bei der Lebensmittelzuteilung, dem Wohnen, der Arbeit und der Weiterbildung. Die Mitglieder bleiben in der Klasse und vererben die Mitgliedschaft an die Nachkommen, es sei denn sie machen sich eines schweren Verbrechens schuldig. Die mittlere Gruppe der Schwankenden macht 50 Prozent aus und besteht aus gewöhnliche Bürger, kleine Kaufleute, Büroangestellte und Arbeiter eingeschlossen. Zur unteren Gruppe der Feindseligen werden die gezählt, die als Verräter oder „rebellische Elemente“ gebrandmarkt werden: 


Die feindselige Klasse, auch komplexe Gruppe genannt, umfasst Kapitalisten, Grundbesitzer, religiöse Menschen und politische Gefangene. Ihr Status wurde vor und nach dem Korea-Krieg beschlossen, später kamen rund 93.000 ethnische Koreaner aus Japan dazu. Ihre Mitglieder können keinen Militärdienst leisten, da die Partei sie im Verdacht hat, die Waffen gegen das Regime zu richten. Wenn Dein Vater in ein politisches Gefangenenlager gesteckt wird, gehörst du automatisch der komplexen Masse an, weil auch die Familienmitglieder unter der berüchtigten Praxis „Schuldig durch Verbindung“ bestraft werden. Diese Praxis wird in brutalster Weise angewandt. 


Die Mitglieder der feindseligen Klasse können nicht Mitglied der Partei werden. Viele von ihnen enden bei Arbeiten auf dem Land oder in abgelegenen Bergwerken. Über die strenge Handhabung der Einteilung sagt Ahn: 


Zweck ist es, das Regime zu erhalten. Die königliche Familie der Joseon-Dynastie sicherte in Zusammenarbeit mit der Adelsklasse  oder den Yangban über 500 Jahre ihr Reich. Das gleiche trifft auf Nordkorea zu. Falls die Kastenstruktur auseinanderbricht, dürfte die nordkoreanische Gesellschaft nicht mal einen Monat bestehen bleiben. 


Das Regime kontrolliert die Gesellschaft über die hierarchische Einordung der Menschen. Die Bürger werden unterschiedlich behandelt, was die Versorgung mit Nahrungsmitteln, Kleidung und die Vergabe von Jobs und Fortbildungsplätzen betrifft: 


Im System des „Schuldig durch Verbindung“ erben die Kinder den Status ihrer Eltern. Mit anderen Worten, Kinder von Kriminellen sind ebenfalls Kriminelle. In seltenen Fällen werden solche, die sich als Held auszeichnen, auf eine höhere Stufe gestellt. Dutzende von Soldaten wurden so geehrt, die ein Porträt von Kim Il-sung schützten, als eine Granate explodierte. Die soziale Aufwärtsbewegung oder die Umverteilung des Reichtums ist unter dem versteinerten Statussystem unmöglich, es sei denn, die soziale Pyramiden-Hierarchie wird durch eine Revolution aufgebrochen. 


Bei aller fehlenden Opposition gibt es jedoch auch Anzeichen von Rissen im System: 


Nordkoreas sozialistische Wirtschaft begann nach der Hungersnot Mitte bis Ende der 1990er Jahre, zusammenzubrechen. Die Märkte machten einer neuen Klasse von wohlhabenden Bürgern Platz, obwohl diese keine politische Macht besaßen. Der Dollar und der chinesische Yuan sind heutzutage mächtiger als die nordkoreanische Währung. Die soziale Stellung wird in gewissem Sinne neu geordnet. Zahlreiche Menschen, die viel Geld verdienen, stammen aus der feindseligen Klasse, ethnische Koreaner aus Japan eingeschlossen. Sie haben möglicherweise die Unternehmensfähigkeiten von ihren Eltern gelernt. Man kann ohne Übertreibung sagen, dass die zuvor feste soziale Leiter in Nordkorea Risse zeigt.

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